Interview mit Arne Ackermann
In diesen Tagen feiert der Gasteig seinen 30. Geburtstag. Dort ist neben der Philharmonie und der Volkshochschule auch die Zentralbibliothek der Münchner Stadtbibliothek untergebracht. Sie zog allerdings schon 1984 ins städtische Kulturzentrum am Isarhochufer.
AZ: Herr Ackermann, wer hat mehr tägliche Besucher: die Philharmonie oder die Stadtbibliothek Am Gasteig?
ARNE ACKERMANN: Die Stadtbibliothek. Etwa 6000 Menschen kommen täglich in den Gasteig. Die Hälfte zu uns. Der Rest verteilt sich auf die Philharmonie, die Volkshochschule und die Übungsräume der Hochschule für Musik und Theater.
Wie wichtig ist der Gasteig für Sie?
Ich finde ihn großartig. Der Bau beherbergt drei sehr potente Kulturinstitutionen. Ihre Kombination steht für gute Bildungspolitik. Wir arbeiten gut mit den anderen zusammen – etwa im Bestreben, vom Gasteig aus niederschwellig in die Stadtteile zu wirken. Grundsätzlich steht der Gasteig für mich für ein großes junges Publikum, nehmen Sie Bibliothek, nehmen Sie die Hochschule, nehmen Sie die Schüler der VHS. Das ist ein hohes, noch ungeschöpftes Potenzial – und es ist da!
Was sind denn Ihre Hoffungen für den Umbau?
Das Gehäuse bleibt, die Bibliothek wird ganz anders. Wenn ich an sie denke, sehe ich vor allem Menschen. Die Bücher bleiben wichtig, aber wir brauchen mehr Flächen für Interaktion und Begegnung, für „geteilte“ Kultur. Und wir wissen aus anderen Städten: Eine Renovierung oder ein Neubau bringen 20 Prozent mehr Publikum.
Was passiert mit der Stadtbibliothek Am Gasteig während der Sanierung? Sperren Sie einfach zu?
Die Münchner wollen eine große Bibliothek im Herzen der Stadt. Wir prüfen also alle Möglichkeiten. Parallel zum Publikumsbereich müssen auch Plätze für insgesamt 270 Mitarbeiter gefunden werden.
Wie unterscheidet sich die Stadtbibliothek Am Gasteig von den 22 Stadtteilbibliotheken?
Die Bibliothek im Gasteig ist ein zentraler Ort. In Sachen Bestand haben wir nur hier die Möglichkeit die volle Breite mit Klassikern, Lyrik, Libretti oder besonderen Graphic Novels zu präsentieren und gleichzeitig für die Stadtteilbibliotheken, die darauf zurückgreifen können, zu lagern. In Sachen Programm verfügen wir über alle Gasteig-Räume und hochprofessionelle Veranstaltungstechnik, die uns erlaubt, Festivals, internationale Filmreihen, große Kinder- und Jugendveranstaltungen, Empfänge für mehrere hundert Personen zu planen.
Ist es nicht widersinnig, dass die Bibliothek um 19 Uhr zusperrt, obwohl Konzerte in der Philharmonie eine Stunde später beginnen?
Öffnungszeiten sind auch für uns ein Thema. Aber es ist komplex. Fachberatung, Personal gehören für uns zum offenen Konzept. Daher können wir die Zeiten nicht beliebig ausweiten. In Dänemark sind vergleichbare Bibliotheken viel länger offen, haben jedoch andere Verpflichtungen in der Kommune. Aber die dortigen Erfahrungen zeigen auch, dass eine Zugänglichkeit über 24 Stunden an sieben Tagen hoher Investitionen bedarf.
Auch eine Samstagsöffnung in den Stadtteilen wäre gut.
Die OB-Umfrage hat ergeben, dass die Bürger das wünschen. Aber es kostet auch Geld.
Die Münchner Stadtbibliothek verlangt von Erwachsenen 20 Euro Jahresgebühr. Wie stehen Sie dazu?
Die Einführung dieser Gebühr war eine Entscheidung der Politik. Natürlich spricht viel für Gebührenfreiheit: Wir sind eine Einrichtung der Daseinsvorsorge, das Angebot soll niederschwellig sein. Kinder und Jugendliche sind befreit: Gebühren sind hier Hürden, die gerade Benachteiligte nicht nehmen. Diese Kinder sollen uns nicht in hoher Zahl wegbrechen.
Wie erreichen Sie den Lesenachwuchs?
Wir haben eine ausgeprägte Kinder- und Jugendarbeit in den Stadtteilen. Die Kolleginnen sind ganz nah dran an den jeweiligen Altersgruppen und Interessen, kennen die Kinder auf von klein auf, machen Programm, geben Tipps und lassen sie in der Pubertät auch einfach mal in Ruhe. Es gibt intensiven Kontakt zu Kitas und Schulen. Hier greift auch das das Netz der Bücherbusse mit den 90 Haltestellen, mit dem wir Kinder zu einem frühen Zeitpunkt erreichen. In fünf Stunden werden da oft 5000 Medien getauscht.
Ist das gedruckte Buch nicht ein aussterbendes, von der Digitalisierung bedrohtes Medium?
Nach wie vor werden mehr als neun Milliarden Euro in Deutschland mit Büchern umgesetzt. Der Anteil digitaler Medien liegt bei fünf Prozent. Selbst wenn er wie in den USA auf 25 Prozent steigen würde, hieße das im Umkehrschluss, dass das Buch das gesellschaftliche Leitmedium bleibt. Die Bibliothek selbst verleiht online derzeit 30 000 eMedien – Tendenz: ständig steigend.
Verdirbt eine Bibliothek, die auch Neuerscheinungen verleiht, nicht dem Buchhandel das Geschäft?
Wer Bücher ausleiht, kauft auch mehr Bücher. Wir kaufen übrigens überwiegend im örtlichen Buchhandel. Insgesamt haben wir derzeit knapp 3 Millionen Medien.
Fürchten Sie angesichts der Haushaltskrise finanzielle Kürzungen durch die Stadt?
Wir haben unglaublich viel Sympathie in der Bevölkerung, als Kultur- und Bildungsinstitution hat die Münchner Stadtbibliothek im überregionalen Vergleich traumhafte Zahlen. Der Stadtrat schätzt unseren hohen Wert als urbane Institution, die nicht zuletzt die Stadtentwicklung mit Blick auf Wachstum und Integration eindenkt. Wir geben das Vertrauen also zurück: Wir fürchten uns nicht.
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