International bleiben!

Die von Hans Werner Henze gegründete Biennale für zeitgenössisches Musiktheater ist das Flaggschiff der städtische Festivals. Über den künftigen Leiter wird in der Szene wild spekuliert
von  Marco Frei

Die von Hans Werner Henze gegründete Biennale für zeitgenössisches Musiktheater ist das Flaggschiff der städtische Festivals. Über den künftigen Leiter wird in der Szene wild spekuliert.

Derzeit präsentiert sich das Münchner Kulturreferat eher wie ein Baureferat. Jedenfalls klaffen im Musikleben der Stadt einige Lücken. Da sind die Philharmoniker: Nach Christian Thielemanns Abgang wird Lorin Maazel das städtische Orchester ab 2012/13 für drei Jahre leiten – als prominenter Lückenfüller. Wer danach kommt, ist unklar, obwohl die Großen früh planen. Eine andere Baustelle sind die Klangaktionen: Diese wichtige Reihe, die München mit experimenteller Neuer Musik konfrontierte, gibt es nicht mehr.

Umso nervöser schaut die Musikwelt auf die Münchener Biennale. Noch bis 2014 wird der seit 1996 amtierende Peter Ruzicka das internationale Festival für neues Musiktheater leiten. Wer ihm für die Biennale 2016 nachfolgt, steht in den Sternen. Immerhin erklärte das Kulturreferat, dass es grundsätzlich an der Reihe festhalte.

Zugleich äußerte Kulturreferent Hans-Georg Küppers seine eigenen Vorstellungen für das 1988 von Hans Werner Henze gegründete Festival. Er möchte die Reihe öffnen, wobei damit auch eine Verbindung zu Pop oder Jazz gemeint ist.

„Wir werden untersuchen, ob man auch diese Grenzbereiche verstärkt einbeziehen könnte oder sollte“, so Küppers. Zudem könne er sich eine Öffnung für Musiktheater vorstellen, das aus dem Theater, der bildenden und Videokunst oder dem Tanz komme.

Seitdem wird in der Szene spekuliert, wen Küppers im Sinn haben könnte. Schon wird befürchtet, dass der Komponist Moritz Eggert an die Spitze der Biennale berufen werden könnte – womöglich mit Siegfried Mauser, Leiter der Münchner Musikhochschule. Dort lehrt auch Eggert, der 1991 das Festival „A·DEvantgarde“ gegründet hat.

Weil Eggert keine stilistischen Berührungsängste kennt, scheint er für Küppers Vorstellungen geeignet. Allerdings poltert er mit ermüdender Regelmäßigkeit gegen Festivals für Neue Musik wie Donaueschingen, womit er sich international ins Abseits manövriert hat. Deswegen wird in der Szene befürchtet, dass die Biennale mit Eggert und Mauser zu einer Provinzerscheinung würde. Die Reihe brauche indes gerade jetzt eine Persönlichkeit von internationalem Rang, heißt es.

Es kursieren glanzvolle Namen, die den Ruf Münchens als Musikmetropole im Bereich der Neuen Musik festigen könnten. Neben Unsuk Chin und Peter Eötvös, deren letzte Werke von der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt wurden, ist Olga Neuwirth im Gespräch. Die Österreicherin hat mit Elfriede Jelinek viele Projekte realisiert. Auf Nachfrage zeigte sich auch Salvatore Sciarrino grundsätzlich nicht abgeneigt: Wie kein anderer hat der Italiener das Musiktheater erneuert. Seit seinem „Luci mie traditrici“ zählt zu den bedeutendsten Opernkomponisten unserer Zeit.

Andere, wie Gerhard Koch von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, plädieren für eine Doppel- oder Dreierspitze. Der 72-jährige Musikkritiker ist ein versierter Kenner der Szene. In einem Gespräch plädierte Koch jüngst für das Duo Heiner Goebbels und Mark André. Während der französische Wahl-Berliner André sein erstes Musiktheater für die Biennale 2004 komponiert hatte, leitet Goebbels Ende Mai beim Münchener Kammerorchester zwei Konzerte mit eigenen Werken. Der Münchner Komponist Nikolaus Brass könnte hingegen eine Brücke zur hiesigen Szene schlagen. Andere liebäugeln mit Markus Hinterhäuser, der zuletzt als Konzertdramaturg und Intendant der Salzburger Festspiele glänzte.

Auf Nachfrage wollte sich das Kulturreferat zu alledem nicht äußern. So steht vorerst nur fest, dass bei der kommenden 13. Biennale zwischen dem 3. und 19. Mai 2012 drei Musiktheaterwerke von Sarah Nemtsov, Eunyoung Kim und Arnulf Herrmann uraufgeführt werden. Das Motto lautet „Der ferne Klang“, was sich auf eine Oper von Franz Schreker bezieht.

Daneben gibt es ein vielfältiges Rahmenprogramm. Sonst aber ist man sich beim Kulturreferat der Dringlichkeit der Personalfragen bewusst: Für das erste Halbjahr 2012 sei geplant, eine neue Leitung für die Biennale zu präsentieren. Und das ist auch gut so, denn wenn es um die Kultur geht, gilt München zuvorderst als Kunst- und Musikmetropole. Wer hier scheitert, muss seinen Hut nehmen.

Infos zur Biennale 2012 unter www.muenchener-biennale.de

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