Intellektuelles Parfum
Einfach Fantastisch: Julian Schnabel drehte »Schmetterling und Taucherglocke«. Im Interview zeigt sich der Maler und Regisseur, dessen Kennzeichen der Bademantel ist, charmant und intelligent. Ein Spiegelbild seines neuen Films eben.
Betont lässig erscheint Julian Schnabel zum Interview in seinem Lieblings-Outfit, einem von seiner Frau entworfenen lila Pyjama. Nicht knurrig wie befürchtet, sondern charmant und gut gelaunt genießt er die Bewunderung. Ein barocker und lebenslustiger Bonvivant, dem man auf den ersten Blick nicht zutraut, ausgerechnet Jean-Dominique Baubys als unverfilmbar geltenden Roman „Schmetterling und Taucherglocke“ (siehe Kritik, Seite 17) bewegend auf die Leinwand zu bringen: Es ist die tragische Geschichte des „Elle“-Redakteurs, der nach einem Schlaganfall mit 43 Jahren unter dem Locked-In-Syndrom litt, sich nur durch ein Blinzeln mit dem linken Augenlid verständig machen konnte und damit ein Buch diktierte.
Dass ausgerechnet ihm das Projekt in die Hand fiel, hält der geborene New Yorker „nicht für Zufall, sondern für Fügung“. Bei dem Besuch eines an Multiple Sklerose erkrankten Freundes aus der Andy Warhol Factory drückte ihm der Pfleger schon vor Jahren Baubys Bestseller zum Vorlesen in die Hand, und als sein Vater im Sterben lag, landete das Drehbuch auf seinem Schreibtisch, und er sei sogar mal in der gleichen Stierkampfarena wie Bauby gewesen, ohne sich jedoch zu treffen. Für den Maler, Bildhauer und Filmregisseur bedeutete der Film Trauerarbeit, die Bewältigung eigener Erfahrungen mit dem Tod des Vaters.
Auf französisch bitte
Gegen alle Widerstände kämpfte er für eine französische Verfilmung: „Erst hielt man mich für verrückt. Aber es wäre lächerlich gewesen, die Handlung an einem Strand in Kalifornien mit amerikanischen Darstellern spielen zu lassen. Die Hauptfigur ist so französisch, sein Humor, seine Spitzzüngigkeit. Wo wäre die Poesie der Sprache geblieben und der Charme der Landschaft?“
Statt Johnny Depp, der wegen „Fluch der Karibik“ nicht mehr zur Verfügung stand, übernahm Mathieu Amalric den schwierigen Part. Der überbordende Redefluss Schnabels gerät ins Stocken, wenn er darüber spricht, wie der Film ihn verändert hat: „Ich hatte immer eine schreckliche Angst vor dem Tod und das Bedürfnis, aus der Normalität ausbrechen zu müssen. Bauby ist ein Beispiel für die Überschreitung der Grenze zwischen Tod und Leben. Um seinen letztendlich erreichten Frieden beneide ich ihn. Die schrecklichen Umstände machten ihn zum Künstler, er lehrte mich, im Heute zu leben. Ob ich gleich tot umfalle oder ein Mörder mir ein Messer in die Rippen rammt, daran verschwende ich keinen Gedanken, fürchte mich nicht mehr vor dem Sterben. Oft kann uns ein schmerzhafter Prozess aus der Nichtigkeit des Seins hinauskatapultieren und die Möglichkeit geben, uns selbst zu entdecken. Deshalb ist der Film auch nicht deprimierend, sondern lebensbejahend. Trotz anfänglicher Klaustrophobie und des Gefühls, lebendig begraben zu sein, gewinnt dieser in seinem Körper Gefangene die Freiheit im Kopf, in der Imagination.“
Nur ein Maler der drei Filme gedreht hat
Drei Filme in zwölf Jahren drehte Schnabel, auch die anderen zwei beschäftigen sich mit dramatischen Biografien realer Personen – „Basquiat“ mit dem an einer Überdosis gestorbenen Künstler Jean-Michel Basquiat, „Bevor es Nacht wird“ mit dem kubanischen Schriftsteller und Dichter Reinaldo Arenas. „Ich mache Filme über Themen und Menschen, die mir auf der Seele brennen, von denen ich etwas verstehe. Ich bin kein Regisseur, den man anheuert, weil er einen Job braucht. Ich habe einen Job als Maler.“
Auf diesen feinen Unterschied pocht der nicht gerade für Understatement bekannte 56-Jährige und bezeichnet sich schlicht als „Maler, der drei Filme gedreht hat“. Wenn er erwähnt, dass Bernd Eichinger ihm „Das Parfum“ quasi „wegnahm“, verschlägt es ihm vor Zorn noch heute die Sprache. Da prallten wohl zwei Egos zusammen, die nicht miteinander konnten. Das Filmbusiness empfindet er als „seicht. Denn ich will den Intellekt des Zuschauers nicht beleidigen, auch wenn das aus der Mode gekommen ist. Die Studios interessieren sich nur für Moneten. Kunst ist für sie ein Unwort.“ Diese „Banausen“ brauche er nicht, mit der Malerei verdiene er übrigens mehr Geld an einem Tag als mit der Regie in einem Jahr, frotzelt er. Leben und Kunst in ihren Widersprüchen sind für den exzentrischen Vertreter des New Image Painting eine Einheit. Und so trennt er auch nicht rigoros zwischen der Arbeit als Maler und Regisseur: „Manchmal gibt es Berührungspunkte. Die alten Röntgenbilder aus der Klinik im Vorspann haben mich zu neuen Bildern inspiriert.“
Margret Köhler
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