Integrationsmärchen

Die ARD-Vorabenserie „Türkisch für Anfänger“ geht am Dienstag in die dritte Runde. Der Münchner Produzent Philip Voges über schwere TV-Zeiten, Qualität und Quote
von  Abendzeitung

Die ARD-Vorabenserie „Türkisch für Anfänger“ geht am Dienstag in die dritte Runde. Der Münchner Produzent Philip Voges über schwere TV-Zeiten, Qualität und Quote

Vor gut einem Jahr deutete noch alles auf das Ende von „Türkisch für Anfänger“ hin. Der Marktanteil der prämierten ARD-Vorabendserie war mit kaum mehr als acht Prozent eher mäßig. Doch die Fans des deutsch-türkischen Patchwork-Clans setzten sich durch: Per Unterschriftensammlung verlangten sie die Fortsetzung – und bekamen sie tatsächlich. Heute geht das Integrationsmärchen in seine dritte und laut Sender definitiv letzte Runde.

„Aber man weiß ja nie“, sagt Philip Voges, der mit seiner Münchner Firma Hofmann & Voges Entertainment „Türkisch für Anfänger“ im Auftrag des BR, NDR und WDR sowie der ARD-Werbung produziert hat. „Ich orakel mal, dass diese dritte Staffel gut laufen wird. Da greift der ,Stromberg’-Effekt, die Serie mit Christoph Maria Herbst lief ja auch erst in der dritten Staffel richtig gut.“

Mit Partner Mischa Hofmann hat Voges die Firma 1996 gegründet. Beide haben an der HFF München studiert, dann gemeinsam Kinohits wie „Erkan & Stefan“ produziert. Der Kern des Geschäfts liegt aber im Fernsehen mit Herzensprojekten wie „Türkisch für Anfänger“ und der ZDF-Serie „KDD – Kriminaldauerdienst“. Der BR-Film „Liesl Karlstadt und Karl Valentin“, den das Erste am 10. Dezember zeigt, geht ebenso auf das Konto der Münchner wie die Neuverfilmung von Jack Londons „Der Seewolf“ mit Thomas Kretschmann. ProSieben zeigt den Zweiteiler am 24. und 25. November.

Voges sieht allerdings harte Zeiten auf die Branche zukommen. „Noch sehen die Auftragsbücher zwar gut aus“, sagt der 42-Jährige. „Aber welche Auswirkungen die Finanzkrise auf das nächste Jahr haben wird, muss man sehen. Die Budgets werden enger – bei allen Sendern.“

Aber nicht nur mit der Finanzkrise hat die Branche zu kämpfen. „Auch die Fictionkrise ist noch nicht komplett ausgestanden“, sagt Voges. In Sachen Serie schaut er allerdings recht optimistisch in die Zukunft. „Der Marktanteil von ,Doctor's Diary' von ,Türkisch für Anfänger'-Autor Boran Dagtekin, lag mit 16, 17 Prozent beispielsweise über dem RTL-Durchschnitt“, so Voges. Ein Zeichen, dass sich Qualität langsam durchsetzt. „Der Zuschauer muss sich eben auch daran gewöhnen.“

Die größte Konkurrenz sind dabei nicht etwa billig produzierte Telenovelas oder Soaps. „Es sind die nonfiktionalen Produktionen“, sagt Voges. „Nonfiction hat eingeschlagen wie eine Bombe.“ Ganze 70 Prozent des Programms mache sie heute aus – auch bei den Öffentlich-Rechtlichen, so Voges. „Ein Sender wie RTL überlegt bei einem Erfolg wie ,Bauer sucht Frau’, der nur ein Drittel oder Viertel einer Qualitätsserie kostet, doch nicht zwei Mal, worauf er setzt.“

Aber hat dann nicht wieder ein Marcel Reich-Ranicki Recht, der die miese Qualität des TV beklagt? „Ach, ich finde es erfrischend, dass jemand einmal sagt, was er denkt. Eine Shakespeare-Serie würde ich aber dennoch nicht machen“, sagt Voges. „Auch wir haben ein Programm wie ,Erkan & Stefan' gemacht und die Zielgruppe hatte Spaß daran.“ Und Reich-Ranicki habe eben bei einem Sender Programm gemacht, der die goldene Stimmgabel der Volksmusik verleiht. „Insofern ist er auch ein Teil des Ganzen gewesen. Hat er das vergessen?"

Angelika Kahl

„Türkisch für Anfänger“, Di. bis Fr. um 18.50 Uhr im Ersten

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