"Inferno" - So ist der neue Thriller von Dan Brown
Seit Dienstag 9 Uhr Früh wird das Geheimnis um den neuen Fall für Robert Langdon gelüftet: US-Bestseller-Autor Dan Brown hat seinen neuen Thriller „Inferno“ auf den Markt gebracht. Die AZ-Kritik.
München - Dan Brown, der Großmeister des hölzernen Dialogs, ist zurück: „Ich habe gelesen, dass in den USA mehr als sechzig Prozent aller Kosten im Gesundheitswesen für Patienten entstehen, die nur noch sechs Monate oder weniger zu leben haben.“ „Das ist richtig. Und obwohl unser Verstand sagt, dass das Wahnsinn ist, will unser Herz, dass wir Oma so lange am Leben halten, wie wir können.“ Langdon nickte. „Es ist der alte Konflikt zwischen Apollo und Dionysos, ein berühmtes Dilemma in der Geschichte. Der uralte Kampf zwischen Kopf und Herz, die selten das gleiche wollen.“
Brown schickt seine Charaktere, eigentlich eher sprechende Wikipedia-Artikel, auf eine nicht enden wollende Schnitzeljagd durch Florenz. Die beiden, die sich hier unterhalten, sind der amerikanische Professor für Kunstgeschichte Robert Langdon und die Ärztin Sienna, dekorativ, beschlagen in chinesischer Kampfkunst und gesegnet mit einem IQ von 208. Das hindert den Professor aber nicht, in Erstaunenen auszubrechen, wenn die fließend italienisch sprechende Frau die Sieben Todsünden aus dem Lateinischen übersetzt.
Browns Todsünde ist die Verfolgungsjagd. Irgendein Lektor hätten ihm ruhig zuflüstern können, dass der x-te geheime Fluchtweg in einem alten Gemäuer keineswegs der Spannung förderlich ist. Andererseits aber hat ein Autor mit über 80 Millionen Exemplaren Weltauflage (davon ein Fünftel im deutschsprachigen Raum) natürlich eine Menge Argumente auf seiner Seite.
Robert Langdon hat in Florenz Dantes Totenmaske entwendet. Er weiß dies allerdings nicht, da ihm zwei Tage Erinnerung fehlen. Oder um es mit Sienna zu sagen: „ Gut. Ihr visuell-kognitives Imprinting ist exzellent, was bestätigt, dass Ihre Amnesie vollkommen abklingen wird und Ihre Gedächtnisprozesse keine bleibenden Schäden davontragen. Ist Ihnen inzwischen irgendetwas Neues aus dem Zeitraum der letzten paar Tage eingefallen?“
Erst einmal nicht, und so rätseln die beiden, verfolgt von Polizei, Aufklärungsdrohnen und privaten Eliteeinheiten des internationalen Unternehmens „Das Konsortium“, wie sie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen könnten. Leichen pflastern ihren Weg, selbstverständlich rätselhafte Botschaften auf alten Gemälden und natürlich erklärt Langdon die italienische Renaissance in wohldosierten Häppchen. So viel Zeit muss auch auf der Flucht sein.
Dennoch unterscheidet sich Browns „Inferno“ thematisch ganz erheblich von seinen Vorgängern – und das liegt an der Figur des Schweizer Milliardärs und Biochemikers Bertrand Zobrist. Dieser glühende Verfechter der „Populationsapokalyptische Gleichung“ ist zwar durch Produkte zur Verlängerung des menschlichen Lebens reich geworden, will die Menschheit aber nun lieber mit Designerseuchen dezimieren. Schließlich habe auch die Pest die damalige Überbevölkerung und damit verbundenen Hungersnöte beseitigt. Und für mehr als fünf Milliarden Menschen sei dauerhaft kein Platz.
Brown gibt diesen Thesen (und der moralischen Empörung darüber) viel Raum und liegt ausnahmsweise thematisch am Puls der Zeit. In diesem Herbst erscheint bei Suhrkamp Stephen Emmotts Buch „Zehn Milliarden“, das auf seinem gleichnamigen Theatererfolg beruht. Emmott, Naturwissenschaftler mit Lehrauftrag in Oxford, rechnet schonungslos vor, wie die menschliche Überbevölkerung sehr bald den Menschen das Leben auf diesem Planeten unmöglich machen wird.
Da sind wir schon ziemlich nah an der Hölle, nicht nur der von Dante.