In schönster Küchenlandschaft

Es wirkte fast wie eine Provokation: Da ist die Welt - mit Kriegen und Krisen - aus den Fugen, und was macht Frankreich? Es reicht ausgerechnet "La passion de Dodin Bouffant" zum Oscar ein.
Und weil die Welt nur bedingt französisch spricht und dieser Dodin Bouffant eine reine Fantasiefigur ist, nennt man den Film international "The Pot-au-feu". Das kennt vielleicht jeder, und es geht ja um essen wie Gott in Frankreich. Aber Marketingexperten glaubten, dass so ein Eintopf niemand von der Chips-Couch auf den Kinostuhl lockt. So heißt der Film in den USA "The Taste of Things" - ein allerlei-Titel. Und bei uns: "Geliebte Köchin".
Was gar nicht so schlecht ist, weil es um Juliette Binoche in der Rolle als Spitzenköchin geht. Diese unabhängige Eugenie kocht ihr Geliebter Dodin (Benoit Magimel) nach zwanzig Jahren wilder Ehe selbst ins Hochzeitsbett - und das alles 1885 in der Belle Époque in einem edlen Landhaus mit Park, Obst- und Gemüsegarten. Und diese Idylle wird für gute zwei Stunden auch nicht verlassen.
Kein Oscar-Kandidat
Bei soviel Gegenwarts- und Problemflucht muss man sich über die Oscar-Ablehnung also nicht wundern. Aber natürlich ist der Film des Regisseurs Tran Anh Hùng, der aus der ehemaligen französischen Kolonie Laos stammt und vor dreißig Jahren mit seinem Kulinarikfilm "Der Duft der grünen Papaya" berühmt geworden ist, ein Fest der Sinne - vor allem für Augen und Gaumen, beziehungsweise Nase und Zunge.
So schaut man in Nahaufnahmen fast immer in köchelnde Töpfe, schöne Terrinen und gusseiserne und kupferne Pfannen, sieht wie frische Zutaten geschnitten, Geflügelfüße von der Hornschicht befreit, Fische ausgenommen werden - und fühlt sich zunehmend als Banause. Auch weil man doch darauf wartet, dass etwas passiert: etwas Politisches zum Beispiel, auch wenn Frankreich zu dieser Zeit schon Republik ist.
Weltfremde Idylle
Aber irgendwie erwartet man, dass plötzlich ein gesellschaftskritischer Autor wie Émile Zola anklopfen würde und die weltfremde Idylle kräftig anklagen würde. Aber: nichts dergleichen.
Die Genießerfreunde führen mit Dodin Bouffant ihre Tischgespräche amüsant und dekadent weiter, fast ausschließlich über die Höchstleistungen seiner geliebten Köchin - und natürlich philosophiert man über Weine. So ist "Geliebte Köchin" ein ästhetisch wunderbar durchstilisiertes, hedonistisches Nichts - und gleichzeitig ästhetisches, glückliches Alles.
Ganz zart ist dann die Liebesgeschichte eingeflochten, weil Dodin seine Spitzenköchin Eugenie liebevoll verehrt - für ihre Klugheit, Schönheit und ihr Können. Eine leichte, tragische Wendung hat der Film dann doch noch, aber die kulinarische Leidenschaft überdauert alles - hier sogar in reiner Schönheit.
Und so ein Film ist in Zeiten, in denen die Welt aus den Fugen ist, dann eine Trauminsel der Erholung.
Kino: ABC, City, Rex sowie Isabella (auch OmU) und Theatiner (OV und OmU). R: Tran Anh Hùng (F, 132 Min.)