In schönster Jugendfrische
Herbert Blomstedt und das Symphonieorchester des BR mit Mozart und Bruckner im Gasteig
Starrsinn und Abgeklärtheit sind auch bei Dirigenten übliche Begleiterscheinungen des Alters. Der 81-jährige Herbert Blomstedt wird dagegen am Pult immer jünger. Er versteht Bruckner, wie es nur einem jungen Hüpfer Anfang 30 zuzutrauen wäre.
Die (angebliche) Widmung der Neunten an den „lieben Gott“ wirkte an diesem Abend noch weniger glaubwürdig als sonst. Statt metaphysischem Wabern waltete eine kristallin leuchtende Klarheit. Blomstedt schärfte die Kontraste zur Dramatik und arbeitete heraus, wie sehr sich Bruckners symphonische Idee in diesem Spätwerk gewandelt hat.
Das Hauptthema des ersten Satzes wird in der Durchführung zerschlagen, das Scherzo meidet jede österreichische Folklore, und die große Steigerung des Adagios mündet in keinen triumphalen Durchbruch, sondern in eine schreiende, aus tiefer Verzweiflung geborene Dissonanz.
Reife
Solche Verstörung, die viele Kollegen romantisch verkleistern, machte Blomstedts Reife unaufdringlich fühlbar. Sein Bruckner schaut nicht ins Jenseits, sondern nimmt Mahler und Schönberg vorweg. Weil die Aufführung das Blockhafte und Brüchige betonte, wäre der vom Komponisten noch fertiggestellte Beginn des Finales die perfekte Ergänzung gewesen.
Dann aber wäre uns die jugendfrisch-nervöse Aufführung von Mozarts Symphonie Nr. 34 entgangen. Blomstedt moderierte sie mit entspannter Lässigkeit mehr, als sie zu dirigieren. Die Trübungen der Heiterkeit kamen schön heraus. Im lebendig gestalteten, nicht in Schönheit ertrinkenden Andante di molto bewiesen die Streicher ihre Klasse wie die Bläser bei Bruckner. Viel Jubel vom Publikum und dem Orchester für den Jüngsten unter den großen Alten am Pult.
Robert Braunmüller
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