In Richtung Höllentor
Heute ist Premiere im Volkstheater: Christian Stückl inszeniert Shakespeares „Hamlet“ mit Friedrich Mücke
Als er vor zwei Jahren frisch von der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ans Volkstheater engagiert wurde, gab Friedrich Mücke seinen Einstand als Marquis Posa in Schillers „Don Karlos“. Jetzt spielt der 28-jährige Berliner seine bisher größte Rolle – den Titelhelden in Shakespeares „Hamlet“. Hausherr Christian Stückl inszeniert, heute ist Premiere.
AZ: Herr Mücke, wenige Rollen in der Weltliteratur sind so mit Interpretationen, Klischees und Darsteller-Vergleichen belastet wie Hamlet.
FRIEDRICH MÜCKE: Das hab’ ich erst beim Einarbeiten und Einlesen gemerkt. Es ist mein erster William Shakespeare, ich habe auch noch keine „Hamlet“-Inszenierung gesehen. Hamlet ist schon eine majestätische Figur und eine große Herausforderung. Aber es ist toll, wenn Christian Stückl sagt: Komm, wir wagen das jetzt mal.
Wie charakterisieren Sie den Intellektuellen Hamlet?
Ich sehe ihn als fast übermoralischen Menschen in seiner Verurteilung der Eltern-Generation und dem Vorwurf gegen die Mutter, die den Mörder ihres Mannes geheiratet hat. Er hat ein ausgeprägtes Rechtsgefühl und sucht nach seiner Wahrheit. Am Hof findet er nach dem Tod seines Vaters überhaupt kein Zuhause mehr, auch die Liebesbeziehung zu Ophelia ist nicht mehr erstrangig.
Hamlet steht im Ruf eines unentschlossenen Zauderers.
Ich sehe ihn nicht so. Er ist total reflektiert und clever. Der Auftrag des Geistes, den Mord an seinem Vater zu rächen, ist zu groß für ihn, aber er wird zum Täter, zum Handelnden, der Opfer sucht. Er provoziert Unordnung durch seinen gespielten Wahnsinn und wird zum Mörder.
Der Geist erscheint in Gestalt seines Vaters – setzt das eine moralische Verpflichtung?
Wichtig ist, dass der Auftrag von etwas Übernatürlichem kommt. Das ist eine metaphysische Ebene und muss geprüft werden – der Geist könnte auch der Teufel ein. Der Geist ist für mich keine gute Figur. Er erpresst Hamlet und zerstört dessen positives Vaterbild. Es ist Hamlets Tragik, dass dieser Auftrag auf ihn fällt. Damit kann er nicht mehr in Ruhe leben oder sterben – er geht immer weiter in Richtung Höllentor. Das ist ein Strudel, der ihn abwärts reißt.
Er schwankt zwar, handelt aber mit kaltem Kalkül: So ermordet er Claudius nicht beim Gebet, damit der nicht im Zustand der Gnade stirbt.
Für mich ist die Frage: Warum geht er nicht sofort los wie ein Amokläufer? Ihn bewegt immer die Frage: Kann ich’s oder kann ich’s nicht? Sein oder Nicht-Sein? Handeln oder Nicht-Handeln? Leben oder Nicht-Leben? Wobei ich „Sein oder Nicht-Sein“ als eine Kampfansage verstehe – Hamlet ist kein potenzieller Selbstmörder.
Er vertraut sich niemandem an, nicht einmal Ophelia, die er zu lieben behauptet und dann eiskalt verlässt.
Ich glaube, er verstößt sie nicht, weil er sie nicht mehr liebt, sondern weil sie ihn erkennt. Wenn sie ihn dazu brächte, sich ihr anzuvertrauen, würde sie das Ruder herumreißen können. Der vertrauteste Mensch, der Hamlet noch nicht verletzt hat, könnte sagen: Was du tust, ist nicht gut. Die Frau ist eine richtige Gefahr, die könnte ihn stoppen. Deshalb schmeißt er sie weg.
Kann man so eine vielschichtige Figur als Schauspieler je ganz ausloten?
Sicher würde ich sie mit 35 anders spielen als jetzt mit 28. Aber ich glaube, ich bin gerade im richtigen Alter.
Wie haben Sie sich als Berliner in München eingelebt?
München ist im Vergleich zu Berlin überschaulicher und trotzdem eine Großstadt. Hier kann man gut leben und ich fühl’ mich wohl. Das liegt natürlich auch am Haus und an den Rollen, die man kriegt.
Gabriella Lorenz
Volkstheater, heute und morgen, 19.30 Uhr, Tel. 52 34 655
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