In fremden Händen
RTL will Paare auf ihre Elternqualitäten testen, der Kinderschutzbund kritisiert die Doku-Soap
Der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband e.V. (DKSB) ist „entsetzt“ über die angekündigte RTL-Serie „Erwachsen auf Probe“. Am 3. Juni soll die Doku-Soap starten, in der Teenager einen Monat lang für RTL ihr eigenes Familienglück – oder auch Familiendrama – erleben dürfen. Vier Teeniepaare bekommen in dem Experiment jeweils ein fremdes Kind überstellt, um das sie sich sorgen müssen. Erst kümmern sich die 16- bis 19-Jährigen um einen Säugling, dann um ein Kleinkind. Danach bekommen sie Besuch von Schülern, die später von Jugendlichen ersetzt werden.
„Diese Sendung setzt die Kinder einem hohen Risiko aus, ist somit Kindeswohlgefährdung und nicht hinnehmbar“, kritisiert Paula Honkanen-Schoberth, Bundesgeschäftsführerin des DKSB, die Senderverantwortlichen. Kinder im Alter von 9 bis 14 Monaten seien in einer „hochsensiblen Phase“ und reagieren entwicklungsbedingt mit Angst und Abwehr auf fremde Personen. Es sei nicht zu akzeptieren, „dass wehrlose Babies den Preis dafür zahlen, dass RTL eine möglichst große Zuschauerzahl und damit hohe Werbeeinnahmen erzielen will“, so die Kinderschützerin.
Anwesend: Erzieherin, Kinderkrankenschwester, Psychologin
RTL weist die Vorwürfe von sich. „Eine pauschale Verurteilung des Formates aufgrund einer Programmankündigung kann keine Grundlage für die Diskussion sein“, sagt RTL-Sprecher Frank Rendez der AZ. Man habe einen Rohschnitt der Folgen der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen vorgelegt, die dem Format „eine positive pädagogische Absicht“ attestiert habe. „Wir laden den DKSB ein, sich die Sendung anzusehen“, sagt Rendez, der ergänzend betont, dass die Sicherheit der Kinder durch die ständige Anwesenheit einer Erzieherin, einer Kinderkrankenschwester und einer Psychologin gewährleistet sei. Und auch die leibliche Mutter könne das Experiment rund um die Uhr überwachen.
Das DKSB sieht aber auch darin keinen ausreichenden Schutz. „Diese Experten können die Kinder weder trösten, noch ihnen die Ängste nehmen“, sagt Honkanen-Schoberth. „Auch die Teenager-Paare werden hier für den um sich greifenden Voyeurismus missbraucht.“ Sie vermute, dass ein Scheitern von vorne herein einkalkuliert sei, schließlich sei ein Ziel die Abschreckung vor einem verfrühten Kinderwunsch.
Katja Kessler, Ehefrau von „Bild“-Chef Kai Diekmann und vierfache Mutter, wurde von RTL ebenfalls als Expertin verpflichtet und bestätigt: „Jeder Teenager, der nach der Sendung mit der Erkenntnis ins Bett geht: Ich lass’ das noch mal mit der Fortpflanzung ... ist ein Riesensieg.“ Kessler soll den jungen „Eltern“ beistehen und am Ende mitentscheiden, ob sie ihrer Aufgabe gerecht geworden sind. „Kinder sind eben nicht nur das größte Glück dieser Erde“, sagt sie. „Genauso regelmäßig denkt man: ,Jetzt bring’ ich dich ins Tierheim und tausch’ dich gegen ein Meerschweinchen.’“
Der Kinderschutzbund fordert RTL dringend auf, die Doku-Soap nicht auszustrahlen. RTL dagegen hält an der Serie, die bereits abgedreht ist, fest.
Angelika Kahl