In eisigen Höhen
Die Ausstellung „Ed Ruscha – Fifty Years of Painting“ im Haus der Kunst gibt einen grandiosen Überblick über das Werk des kalifornischen Kult-Künstlers
Man muss sich nicht schämen, Ed Ruschas Schrift-Bilder schön zu finden: Ihre Erscheinung ist absolut cool und abgeklärt. Obwohl viele der Wort-Landschaften des kalifornischen Malers quasi im roten Licht der Wüste glimmen, wirken sie so runtergekühlt, als ob sie direkt aus dem Eisschrank kommen. Darum ist seine Kunst längst Kult – ob das perspektivisch stark verzerrte Logo von Twentieth-Century-Fox oder eine brennende Tankstelle. Ab Freitag bietet das Haus der Kunst in einer umfassenden Retrospektive den grandiosen Überblick über das Werk des 1937 in Nebraska geborenen Ruscha, der seit fast 45 Jahren in L. A. lebt.
Vor fünfzig Jahren, als der abstrakte Expressionismus in den USA alles galt, begann Ruscha sein Studium schon mit starkem Interesse für Typografie, arbeitete auch als Werbegrafiker. Anfang der 60er Jahre experimentierte er mit groß aufgeblasenen Schriftzügen auf monochromen Farbflächen wie „OOF“ oder „Annie“. In Bildern wie „Purity“ (1972) eröffnet er dem Betrachter einen scheinbar unendlichen und fast abstrakten Raum, und flüstert ihm mit der Schrift zugleich ein, was er – jedenfalls im Moment des Lesens – denken soll. Es sind fast nie ganze Sentenzen wie die ironische Frage „Not a bad world, is it?“, die über einer kitschigen Seelandschaft mit Wolkenhimmel (1984) steht.
In den 90ern schuf Ruscha vordergründig religiöse Logos, in denen Begriffe wie „Sin“ oder „Hell/Heaven“ eingebettet sind in dramatische Wolkenstimmungen. Ende der 90er entstanden Bergbilder wie „Baby Jet“ – schon das Begriffspaar ist so plastisch wie gegensätzlich. Darin verbindet Ruscha das Sinnbild des Allerhöchsten mit dem des vollkommen Banalen: Man sieht eine Bergkette als Stück grandioser Natur, darüber den Schriftzug eines Parkplatzschildes: „Parking for House of Blues, Body Shop, Château Marmont“. Wort und Bild stehen in keinem Sinnzusammenhang – der entsteht erst durch das Assoziieren des Betrachters.
So verstärkt sich der Eindruck von Vergänglichkeit. Vanitas-Symbolik entsteht auch im Schwarzweiß-Großformat „Fünf nach elf“: Es zeigt die Zeigerspitze und Ziffern einer Uhr, darüber eine Bambusrute, deren Struktur an ein Skelett erinnert. Man kann auch einfach ans Angeln denken: das dauert. Ruschas Bildwitz ist lakonisch, mitunter leise surreal wie bei Magritte. Und in „Exit“ oder „The End“, das den Abspann eines Filmes zeigt, wird das Nebensächliche zum Eigentlichen.
Seine Begriffe treten oft smart und schnittig auf wie Marken, aber sie unterscheiden sich von der Werbeästhetik, weil sie radikaler und konsequenter in der Anwendung der Stilmittel sind. Bei Ruscha wird die Idee zum Zeichen. Nur Menschen findet man, von ein paar schemenhaften Gestalten abgesehen, nie. Im weiten Assoziationsraum zwischen Horizont und Idee würden sie auch nur stören.
Roberta De Righi
Bis 2. Mai, Mo – So 10 bis 20, Do bis 22 Uhr; Katalog 29.80 Euro
- Themen:
- Haus der Kunst