In der Opernfalle

Bayerische Staatsoper: Der Schauspielregisseur David Bösch feiert mit der Neuinszenierung von Donizettis musikalischer Komödie „L’elisir d’amore“ nur einen halben Erfolg
von  Abendzeitung

Bayerische Staatsoper: Der Schauspielregisseur David Bösch feiert mit der Neuinszenierung von Donizettis musikalischer Komödie „L’elisir d’amore“ nur einen halben Erfolg

Tenöre sind nette Menschen. Sie machen alles mit. So auch der treffliche Giuseppe Filianoti, den die Regie dazu verdonnert hatte, für die berühmteste Arie der Oper auf einen Laternenmast zu steigen: „Una furtiva lagrima“ sang er aus luftiger Höhe zwar immer noch bewunderungswürdig. Aber man hatte doch den Eindruck, dass er es auf sicherem Bühnenboden noch besser kann.

Das schwerwiegendste Defizit dieser vom Publikum mächtig gefeierten Staatsopern-Premiere von Donizettis „L’elisir d’amore“ lag im musikalischen Bereich. Man hatte gute bis sehr gute Sänger engagiert, aber versäumt, ihnen einen Dirigenten zur Seite zu stellen, der mehr verlangt als eintönigen Stimm-Exhibitionismus.

Robust, aber nicht elegant

Dem nach Konzerten bei den Münchner Philharmonikern zum Geheimtipp hochgejubelten Juraj Valcuha gelang es weder, in den Ensembleszenen für die nötige Präzision zu sorgen, noch legte er allzu viel Wert auf klangliche und dynamische Feinheiten. Das Staatsorchester blieb blass. Auf der Bühne dominierte robuste Virtuosität. Das war schade, denn mit mehr Dirigenten-Nachdruck hätte sich wohl jeder der Akteure aus seiner lautstarken Routine locken lassen. Das Zeug dazu hatten alle.

Nino Machaidze muss sich am wenigsten vorwerfen lassen: Sie war eine Adina der Extraklasse, im Spiel vor allem gegen Ende von geradezu rührendem Charme. Giuseppe Filianoti gab ihren scheuen Liebhaber Nemorino als einen Bruder Charlie Chaplins: weite, zerrissene Hose, dazu die typischen linkischen Bewegungen, charmant, tollpatschig, liebenswürdig. Sein Rivale, Sergeant Belcore, begnügte sich mit routinierter Bariton-Allüre – auch Fabio Maria Capitanucci hätte wohl mehr drauf gehabt als die ihm auferlegten simplen Macho-Posen.

Aus der Wunderkugel

Am unglücklichsten agierte Ambrogio Maestri als unfreiwilliger Strippenzieher Dulcamara. Er stand nahezu ständig an der Rampe. Dabei hätte gerade er die triste Bühnenlandschaft beleben müssen. Patrick Bannwart hatte einen Fellini-Raum geschaffen: Staub, Sand, Mülltüten, eine Ödnis, zu der die Musik Donizettis passte wie die Faust aufs Auge. Mitten hinein in diese Melancholie platzt der Quacksalber und Geschäftemacher Dulcamara. Sein riesiges Gefährt, eine Wunderkugel, zusammengesetzt aus allerlei Schrott, scheint von einem anderen Stern zu kommen. Was für ein Auftritt! Aber leider wird das Übrige verschenkt. Ambrogio Maestri führt seine mächtige Stimme vor. Und das war’s dann auch schon.

Regisseur David Bösch und sein Team in der Opernfalle: Weder gelang es, Donizetti und die selbst gewählte Bühnen-Atmosphäre unter einen Hut zu bringen, noch ließ sich eine sinnvolle Personenführung nachvollziehen. Ansätze wie die Chaplin-Parodie Nemorinos führen ins Leere, wenn die anderen nicht mitmachen, lediglich verstaubte Opern-Gesten zeigen, den Dirigenten statt den Bühnenpartner anhimmeln und alle jene Unarten wiederbeleben, die man gerne endgültig ad acta sähe. Dass Nemorino in Unterhosen auf dem Souffleurkasten tanzt, mag als Zugeständnis an das Publikum vielleicht ja sogar ein wenig boshaft gemeint gewesen sein. Dass die großen Gefühle, zu denen Donizettis Musik – auch im „Liebestrank“ - immer wieder fähig ist, weitgehend unbeachtet blieben, wiegt da schon schwerer.

Volker Boser

Wieder morgen sowie am 4., 7., 11., 14. und 18. 12. im Nationaltheater, Tel. 2185 – 1920

Trailer der Bayerischen Staatsoper zur Neuinszenierung (Dauer 5 Minuten)

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