In der Dekadenz-Disco mit Bryan Ferry
„Olympia“ – das neue Album von Bryan Ferry hat immerhin eine voluminöse Gästeliste
Kari-Ann Muller, Amanda Lear, Jerry Hall – eine unvollständige Auswahl der Roxy-Music-Covergirls. Bei seinen Soloplatten vermied Brian Ferry bis auf eine Ausnahme heiße Ladys. Kate Moss, die jetzt bei seinem neuen Album „Olympia“ mit Collier auf weißer Seide liegt und ein Gemälde von Eduard Manet zitiert, bringt die Mischung aus Unberührbarkeit und Katastrophe mit, die dieser Künstler der Oberfläche braucht, wie weißes Pulver.
Die Gästeliste ist in dieses Album gequetscht, wie in ein enges Abendkleid. Marcus Miller bedient den Bass, lässt sich auch gerne von Flea ablösen. Dave Steward und David Gilmoure machen Gitarrenarbeit. Brian Eno schraubt an der Elektronik. Undsoweiterundsofort... es ist alles ein bisschen viel für zehn Stücke, aber eigentlich die richtige Entourage, um Ende 2010 in der Dekadenz-Disco einzulaufen, die am Ende dieser Weltuntergangsdekade funkelt.
Oh süße Verachtung der Benachteiligten
„You Can Dance“ seufzen die Damen aus dem Background. Man sieht Ferry, wie er die Fliege lockert – oh süße Verachtung der Benachteiligten. Der Junge aus der Arbeiterklasse ist hier ganz überzeugend bei sich. „Heartache By Numbers“ geht dann mit dem Beat der 80er dahin, wo Kitsch und Gefühl eins werden.
Und dann passiert „Me Oh My“ – eine melismatisch jaulende Backgroundsängerin. Derartige Soulpampe ist nicht nur in Deutschland mittlerweile auf Castingshowniveau gesunken und damit ein Stil, den allenfalls noch Sarah Connor cool findet. Ab da fragt man sich, ob Ferry nicht doch taube Geschmacksnerven hat und eine Discopumpe wie „Shameless“ nicht mit reifer Würde Kylie Monogue überlassen sollte.
Absturz mit Synthieflitterkram
Diesen Abstürzen stehen lichte Momente gegenüber. In „Song To Sirene“ sehnt er sich an „distant oceans“. Andrew Mackays Oboe blutet. Es könnte ein Song wie einst „Avalon“ werden. Bis das Ganze über die Spitze kippt mit David Gilmours 80er-Pop-Gitarre zu Synthieflitterkram.
Disco ist heute auch nur ein Ort, wo alte Herren sich jung vorkommen. Er hätte Auswege gehabt. Mit „No Face, No Name, No Number“ gräbt Ferry eine Nummer vom Debüt-Album von Traffic aus. Chris Speddings Wah-Wah-Gitarre wärmt wie die Oktobersonne. Ferrys Stimme, sie braucht Liebe.
Christian Jooß
Bryan Ferry: „Olympia“ (Virgin)
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