Immer sexy und gut drauf im Call Center
„Das ganze Leben liegt vor dir“: Eine Realsatire über die moderne Arbeitswelt
7„La fuga di cervelli“ nennen die Italiener das Phänomen: Es gibt keine Arbeit für junge Akademiker, sie müssen auswandern. Marta (Isabella Ragonese) hat ihr Philosophie-Examen hinter sich und will Journalistin werden. Aber das scheint nur durch das Bett des zynischen Kultur-Chefs der Zeitung zu gehen. Und Martas Freund, ein Architekt, schlägt sich als Hunde-Ausführer durch.
Durch einen Zufall gerät sie an einen Job in einem Call Center. Und hier eröffnet Regisseur Paolo Virzi seine Realsatire: Eine gnadenlose Hire-and-Fire-Atmosphäre mit turbokapitalistischem Flexibilitätszwang und „Gut-draufsein“-Psychospielen wie aus einer Eiskrem-Reklame auf Drogen – alles unter Orwellscher Überwachung. Und als Chef des Heiterkeits-Faschismus in der Sklaverei des Dauerlächelns fungiert ein solariumsgebräunter Katalog-Strahlemann, der sich als Hochstapler entpuppt.
„Das ganze Leben liegt vor dir“ schaut hinter die schöne neue Fassade der Arbeitswelt. Aber es wäre kein italienischer Film, wenn über dem ganzen Wahnsinn nicht immer noch eine gewisse Leichtigkeit liegen würde und der Glaube an politische Veränderung. So ist der Film eine apokalyptische Komödie – nicht nur für Menschen mit berechtigter Hassliebe zum heutigen Italien, sondern für alle als Menetekel für gesellschaftliche Entwicklungen, wie es schon George Clooneys Entlassungs-Satire „Up in the Air“ im US-Format gezeigt hat. adp
im Theatiner in OmU
R & B: Paolo Virzi nach
„Il mondo deve sapere“ von Michaela Murgia (I, 117 Min.)
- Themen:
- George Timothy Clooney