Immer quer zur Biederkeit
„Hilde“: Kai Wessels gelungener, aber braver biografischer Film mit einer überzeugenden Heike Makatsch als die Knef zwischen 1945 und 1966
7Berlin Tempelhof, 1966, eine Blitzlicht-Reportermeute wartet. Und wie Anita Ekberg in Fellinis „Das süße Leben“ kommt die Knef die Gangway hinunter. Es ist eine triumphale Rückkehr nach Deutschland, die Philharmonie ist ausverkauft und in Erinnerungsrückblenden wird ihr bisheriges Leben reflektiert: „In dieser Stadt kenn ich mich aus / In dieser Stadt, war ich mal zuhaus.“ Es ist genau diese vertraute Fremdheit, die das Verhältnis der Knef mit Berlin, ja mit ganz Deutschland zur Hassliebe macht. Denn die Knef lag immer quer zur deutschen Geschichte: Als es eigentlich schon vorbei war, warf sie sich noch als 19-jährige Teenie-Geliebte des Goebbels-Vertrauten Ewald von Demandowsky in den Volkssturm. Mit 21 provoziert sie mit dem umbequemen ersten Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ und geht – angefeindet – nach Hollywood. Nur vier Sekunden ruinieren 1950 den Neuanfang in Deutschland: Hilde spielt „Die Sünderin“, eine Prostituierte, die Sterbehilfe gibt und Selbstmord begeht.
Und man sieht sie einige Sekunden nackt. Das genügt für Demonstrationen und Morddrohungen gegen Kinobetreiber. Auf einer Pressekonferenz stellt sie die entscheidende Gegenfrage: Ob so ein Geschrei wegen weniger Sekunden Nacktheit nicht seltsam sei, während man sechs Millionen ermordete Juden totschweige.
Verblüffend echt
Wessels Film zeigt eine grandiose Heike Makatsch (Interview, Seite 22), die spürbar eine Seelenverwandschaft mit der Knef gefühlt hat und die Chansons verblüffend echt im tief-schleppenden Knef-Duktus interpretiert.
Aber der Film ist so in seine Darstellerin verliebt, dass wenig Raum für den historischen Hintergrund der Nachkriegs-BRD bleibt, die so allergisch auf die Knef reagierte. „Wenn du mit der Kunst verheiratet bist, hast du die Kritik zur Schwiegermutter“, sagte die dreimal Verheiratete. Und ihr Förderer, US-Filmoffizier Pommer, attestierte ihr: „Nur Hitler hatte zum Schluss schlechtere Kritiken.“
Es bleibt kein Auge trocken
Die späten Jahre, als sich die Knef viel zu früh peinlich liften ließ, als aus der großen Knef für die Berliner versöhnlich „Hildchen“ geworden war, die sagte: „Ich bitte um Milde, eure Hilde“, sind nicht mehr Thema dieses doch ergreifenden Biopics.
Aber wenn am Ende Heike Makatsch mit Wimpern, die „aussehen, als hätten sich Blattläuse darauf niedergelassen“ (Max Goldt), von den „Roten Rosen“ singt, bleibt kein Auge trocken.
Adrian Prechtel
Kino: Atelier, Gloria, MaxX, Münchner Freiheit, Rio R: Kai Wessel (D, 136 Min.)
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