Immer auf dem Sprung
Heute wird der polyglotte deutsche Filmemacher, Oscar-Preisträger und Autor Volker Schlöndorff 70 Jahre alt – und hat viele neue Projekte
Von Ruhestand kann keine Rede sein, ich habe viel vor. In letzter Zeit hat man mich so mit Preisen (Kythera, Konrad Adenauer, Carl Zuckmayer) überschüttet, als wolle man mich ,wegloben’. Frecherweise nehme ich sie aber als Ermutigung“, sagt Volker Schlöndorff der AZ, kurz vor dem Abflug nach New York, wo er seinen heutigen 70. Geburtstag mit dem Bruder feiert. Tochter Elena (17) ist ja im Internat in England und Ehefrau Angelika bei ethnologischen Feldforschungen in China. Das Haus am Berliner Griebnitzsee, nahe der Filmstudios Babelsberg, deren Boss Schlöndorff von 1991 bis 1997 war, wäre ihm heute doch zu einsam.
Schlöndorff, 1939 geboren in Wiesbaden als Arzt-Sohn, aufgewachsen in Schlangenbad im Taunus, entkam der Enge per Schüleraustausch nach Frankreich, studierte in Paris, begann als Assistent seines Freundes, des unvergessbaren Louis Malle, eine internationale Filmkarriere. In den 60er und 70er Jahren erneuerte er von München aus den deutschen Film, gemeinsam mit Fassbinder, Herzog, Kluge, engagierte sich politisch.
Verfilmte Autoren
Als sich die Kollegen das Etikett „Autorenfilmer“ verpassten, nannte er sich selbstironisch einen „Handwerker“, thematisierte immer wieder Zivilcourage, Außenseitertum, Untertanengeist, spezialisierte sich auf sensibel-bezwingende Literaturadaptionen, bekam alle wichtigen Preise. Die Krönung war der Oscar für „Die Blechtrommel“ 1980. Zu den wichtigsten von mehr als 30 Filmen gehören „Der junge Törless“ (nach Musil), „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, nach Böll, gemeinsam mit seiner ersten Frau Margarethe von Trotta), „Eine Liebe von Swann“ (nach Proust), „Tod eines Handlungsreisenden“ (nach Arthur Miller), „Homo Faber“ (nach Max Frisch, mit dem er bis zu dessen Tod befreundet war).
Im August 2008 erschien „Licht, Schatten und Bewegung. Mein Leben und meine Filme“ (Hanser Verlag), eine lebenskluge, selbstironische Autobiografie, ein wahres Fundstück für alle Kinobegeisterten. „Durch das Buch und die vielen DVD-Editionen entdeckt mich gerade eine neue Generation. Das ist schon toll“, freut sich Schlöndorff beim Telefonat mit der AZ. „Forever Young dank DVD, kann man da nur sagen. Und um weiter meine Freude zu haben, will ich weiterdrehen – so oft man mich lässt. Diesen Sommer erst mal Theater, ein Stück von Tolstoi mit Rehberg und Angela Winkler in Neuhardenberg und auf Tolstois Gut Jasnaya Poljana bei Moskau. Dann hoffentlich ein Film mit Ulrich Matthes in Berlin. In ,Kann wegfallen’ geht es um einen, der beweist, dass er eben nicht wegfallen kann, darf, will. Auftrieb hat zur Zeit auch wieder ein Dauerprojekt, eine unkonventionelle Filmbiografie von Vivaldi.“
Energiegeladen
Julie Delpy, 39, die französische Schauspielerin, Regisseurin, Autorin und Liedermacherin, schickt Schlöndorff via AZ einen Geburtstagsgruß. Sie machte auf dem Weg nach Los Angeles Station in München, gab Interviews für ihren neuen Film „Die Gräfin“ (Start im Juni). Unter Schlöndorffs Regie spielte sie in „Homo Faber“ (1991): „Volker ist der energiegeladenste Mann von jetzt unglaublichen 70 Jahren, den ich je getroffen habe, er macht fantastische Filme – hoffentlich noch 20 Jahre weiter – und schafft sogar den New Yorker Stadtmarathon. Volker, mit Dir ,Homo Faber’ zu drehen, war wundervoll – auch, wie Du den oft betrunkenen, schwierigen Sam Shepard gebändigt hast. Happy Birthday!“
Angie Dullinger