Im Niemandsland

Vor genau einem Jahr gab Thomas Gottschalk seinen Abschied von „Wetten, dass” bekannt – eine Entscheidung, die bislang eine ganze Menge Verlierer produziert hat
von  Volker Isfort

Vor genau einem Jahr gab Thomas Gottschalk seinen Abschied von „Wetten, dass” bekannt – eine Entscheidung, die bislang eine ganze
Menge Verlierer produziert hat

Heute vor einem Jahr geriet die öffentlich-rechtliche TV-Welt ins Wanken. Thomas Gottschalk verkündete seinen Ausstieg bei „Wetten, dass?” – eine Entscheidung die zwölf Monate später drei Verlierer hervorgebracht hat: Das ZDF, die ARD und Gottschalk selbst.

Die Mainzer haben sich bei ihrem Versuch, einen Nachfolger für die Sendung zu präsentieren, bis auf die Knochen blamiert und ein halbes Dutzend prominenter Körbe gesammelt – von Hape Kerkeling bis hin zu Jörg Pilawa; nicht einmal Michelle Hunziker möchte (egal wem) zur Seite stehen. Und die ARD und Thomas Gottschalk müssen schon zum Start der vierten Woche von „Gottschalk live” eingestehen, dass das mutige Projekt, die Vorabend-„Todeszone” zu beleben, vollkommen gescheitert ist.

Schlimmer noch, die anfängliche Kritikerhäme ist mittlerweile in Mitleid umgeschlagen. Und Gottschalks Quote sank von 4,3 Millionen Zuschauern (erste Sendung) auf 930000 (letzten Donnerstag). Das waren desaströse 3,4 Prozent Marktanteil, die der Branchendienst „meedia.de” noch mit einem pikanten Zusatz kommentierte: Keine andere ARD-Sendung zwischen 12.15 Uhr und 23.20 Uhr habe so wenige Zuschauer. Als Diagramm wiedergegeben gliche die Gottschalksche Misserfolgskurve dem Streckenprofil einer alpinen Herrenabfahrt mit langen Steilhängen und ganz wenig Gleitpassagen.

Tägliche Selbstdemontage

Natürlich beginnt für Gottschalk heute noch nicht seine abschließende Woche der Wahrheit, WDR-Intendantin Monika Piel hat ihm wiederholt den Rücken gestärkt und auf den langen Atem der ARD verwiesen. Aber die zunächst auf zwei Jahre geplante Zusammenarbeit kann unmöglich als unendliche Geschichte eines Absturzes inszeniert werden.

Es geht nicht nur um den Gesichtsverlust für Gottschalk, sondern auch um viel Geld. Schließlich war der Starentertainer ja geholt worden, um die Werbeerlöse am Vorabend in die Höhe zu treiben. Gerade aber die werberelevante Gruppe unter 49 Jahren erreicht Gottschalk überhaupt nicht. Da hilft auch die vollmundig angekündigte Einbettung der sozialen Netzwerke in die Sendung nichts, die aber ohnehin bislang nicht sinnvoll funktioniert.

„Stern.de” listete vier Gründe auf „warum Gottschalk scheitern wird” und benannte dabei seinen antiquierten Humor, sein Desinteresse an den Menschen, sein Desinteresse an politisch-gesellschaftlichen Themen und das Fehlen eines Studiopublikums mit dem Gottschalk wenigsten seine Trumpfkarte der Spontaneität ausspielen könnte.

„Meedia.de” nannte die Sendung eine „tägliche Selbstdemontage” und monierte neben der Ichbezogenheit des Moderators auch das Kokettieren mit seinem Nichtwissen: „In seiner jüngsten Sendung schien er sogar stolz darauf zu sein, dass er noch nie von dem in der Tat weltberühmten deutschen Maler Gerhard Richter gehört hat.”

Noch hilft der Name Gottschalk immerhin als Türöffner für die tägliche Studioprominenz, bei einem längeren Quotendesaster gäbe es aber auch für die Gäste attraktivere Schaufenster für die Vorstellung ihrer neuen Bücher, Filme oder Sendungen. Während Gottschalks 60 Personen starke Redaktion fieberhaft an der Sendung herumdoktert, steht dem Moderator wenigstens heute ein bisschen „Glück” ins Haus. So jedenfalls lautet der Titel des Kinofilms, den Regisseurin Doris Dörrie in der heutigen Ausgabe präsentieren wird.

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