Im Krone auf dem Gipfel

La Brass Banda, das Wunder vom Chiemgau, liefern mit neuer Platte und großer Show ein Meisterstück – doch ihr Ziel bleibt offen
von  Abendzeitung

La Brass Banda, das Wunder vom Chiemgau, liefern mit neuer Platte und großer Show ein Meisterstück – doch ihr Ziel bleibt offen

Wie macht man klar, dass heute nicht wie immer ist? Als sich kurz nach acht alle umdrehen im restlos ausverkauften Circus Krone, weil man ja weiß, dass La Brass Banda, das Volksmusik-Punk-Techno-Wunder vom Chiemgau, immer von hinten durchs Publikum in den Saal einläuft, ist alles wie immer, aber eben doch um einiges größer als sonst: Nicht nur fünf Musiker kommen da anmarschiert, sondern Dutzende, Bläser über Bläser, das halbe Oberland in Blech.

Der von allen gemeinsam gespielte Auftakt „Brassbanda“ ist fragmentarisch zu erkennen, dann legt die Band auf der Bühne los, während über den Köpfen des Publikums immer noch die Tuben und Posaunen der Kapellen tanzen. Als Trompeter Stefan Dettl, der im Laufe des Abends sein Meisterstück als Rock-Rampensau abliefern wird, erstmals zu Wort kommt, bekennt er Sprachlosigkeit angesichts seiner Anwesenheit am historischen Ort, wo noch die Plakate von den Beatles und den Stones aushängen: „Was machen mia da?“

Ja, was machen die da? La Brass Band stellen ihr zweites, seit Monaten erwartetes und großartig gelungenes Album vor. Im Circus Krone, insgesamt drei Shows – das ist eine neue Dimension, das ist der Gipfel nach hunderten von Konzerten in Wirtshaussälen und nach Überraschungserfolgen auf Festivals als „Special Guest“.

Trauten sie erstmal ihren neuen Liedern nicht?

Band wie Publikum sind bis zum Anschlag entschlossen, den Abend unvergesslich werden zu lassen, was nicht die beste Voraussetzung für unvergessliche Abende ist. Es scheint erstmal alles zu viel zu sein: Die ständig und gnadenlos herumfahrenden Kamerakräne des BR, die Lichtkanonen mit ihren kalten Strahlenorgien, die Kunde von „Scott, der extra für das Konzert aus Neuseeland eingeflogen ist“, die ganze unentspannte Aufgeregtheit, die dieser Band bislang fremd war.

Und trauen sie ihren neuen Liedern etwa nicht? In der ersten Hälfte des Konzerts zwar „Außenrieß“, der „Bayerische Techno“ oder die schöne Schnulzenparodie zwischen Bert Brecht und Thomas Herrmanns namens „Chancenlos“ sowie andere Banda-Klassiker, aber nur drei Lieder von „Übersee“, wobei nach „VW Jetta“ auch noch die halbe Tribüne brüllt, es möge bitte endlich „lauter!“ werden (was es dann auch endlich wurde).

Die Bandas finden sich nach der Pause – war die etwa dafür da? Beim neuen „Bierzelt“, der alten „Autobahn“ und dem folgenden Instrumental beginnt der stete Wechsel zwischen heftigem Gepolter und melancholischem Retardieren spannend zu werden, auch wenn die Dur-Moll-Sprünge offenlegen, dass Banda-Lieder oft eher Fragment als Song sind.

Doch jetzt ist nur noch wichtig, dass diese Band das Spiel mit der tanzenden Menge so perfekt beherrscht wie keine andere südlich der Donau. Beim „Marienkäfer“ geht’s zu wie beim Pogo in Togo, Bassist Oliver Wrage macht wieder lustigen Yoga-Quatsch (und grüßt erst mal die schwer gerührte Mama oben im Rang), bevor die Dub-Doom-Techno-Gaga-Fraktion unter anderem mit „I Like To Move It“ abhottet und der Keller Steff auf seiner Mundharmonika noch einen schönen Klecks Bluesfarbe einbringen darf. Schließlich die mitreißende, wunderbare „Ringlbleame“ als schönster neuer Song, bei dem es klumpige Konfetti regnet, bevor „Natalie“ als alter Gassenhauer kurz vorbeischaut und den Auszugsmarsch der Gladiatoren (natürlich quer durchs Rund) vorbereitet.

Kann dieser bayerische Bastard von einer Band noch größer werden? Eigentlich nein. Doch das haben bei den Sportfreunden Stiller auch viele geglaubt. Bevor sie in die Olympiahalle kamen.

Michael Grill

La Brass Banda: „Übersee“ (Trikont). Für das dritte Konzert im Circus Krone am 7.11. gibt es Restkarten

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