Im Kino: "Helen" von Sandra Nettelbeck mit Ashley Judd
Helen (Ashley Judd)hat alles, was man gemeinhin zum Glücklichsein braucht: einen guten Job als Musikdozentin an der Universität, einen Mann, der sie unübersehbar liebt, schätzt und respektiert und eine Tochter. Aber Helen ist nicht glücklich. Depression braucht keine Gründe.
Ihre Frau ist nicht unglücklich. Ihre Frau ist krank." erklärt der Arzt dem Ehemann, der verzweifelt nach Ursachen für den angegriffenen Seelenzustand seiner Frau sucht. Aber Depression braucht keine Gründe. Sie steckt drin im Menschen, kann lange schlummern, plötzlich aufsteigen und das Leben vergiften. Dabei hat Helen (Ashley Judd) alles, was man gemeinhin zum Glücklichsein braucht: einen guten Job als Musikdozentin an der Universität, einen Mann, der sie unübersehbar liebt, schätzt und respektiert, eine Tochter aus erster Ehe, die auch in der Pubertät noch die Nähe zu ihrer Mutter sucht, und einen großen Kreis von guten Freunden.
"Ich sehe es nicht kommen, aber ich kann es fühlen. Es ist da." sagt ihre Stimme aus dem Off. Zunächst kommt Helen morgens nicht aus dem Bett, wird häufig von Heulkrämpfen gepackt, bricht schließlich zusammen und muss eingeliefert werden. Ihre Tochter Julia (Alexia Fast) und ihr Mann David (Goran Visnjic) kommen an Helen schon bald nicht mehr heran, nur die Studentin Mathilda, die an derselben Krankheit leidet, scheint sie noch zu verstehen. Die Freundschaft wird für die beiden Frauen der Rettungsanker, auch wenn sie sich gemeinsam zunehmend von der Welt isolieren. Die Qualität von Nettelbecks Film liegt in der unbedingten Akzeptanz des Krankheitszustandes.
Konsequent verweigert sie sich der Ursachenforschung, die für den Zuschauer den Trost der Erklärbarkeit bereithalten könnte. Ashley Judd lässt sich vollkommen uneitel auf die Abgründe ihrer Figur ein und erspart sich (und dem Publikum) alle Tour-de-force-Allüren, mit denen schauspielerische Erkundungen am Rande des Wahnsinns nur zu oft garniert werden. Trotz seines düsteren Sujets ist "Helen" kein Feel-Bad-Movie. Nettelbeck schaut der Depression direkt ins Auge, aber sie arbeitet ohne dramatische Verstärkereffekte. Die kristallklaren, hellen Bilder kontrastieren den düsteren Seelenzustand der Figur und am Ende des Tunnels ist immer noch ein kleines, schwaches Licht zu sehen.
Martin Schwickert
- Themen:
- Ehe