Im Kampf mit der Hydra
Autor Roberto Saviano erhält in München den Geschwister-Scholl-Preis für seine literarische Aufklärungsarbeit gegen die Mafia
Als Roberto Saviano vor dreißig Jahren in Neapel geboren wurde, verlieh der Börsenverein des deutschen Buchhandels in München zum ersten Mal den Geschwister-Scholl-Preis an Rolf Hochhuth. Seit dieser Zeit werden mit dieser Auszeichnung und 10000 Euro Preisgeld Schriftsteller geehrt, die mit ihren Büchern „bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut fördern“.
Saviano, der Anti-Mafia-Aufklärer, ist zweifellos ein würdiger Vertreter im Jubiläumsjahr. Und ein Autor, der für seinen Mut einen hohen Preis zahlen muss. Seit der Veröffentlichung seines Millionenerfolgs „Gomorrha“ (Hanser) ist ihm ein normales, ziviles Leben unmöglich. Die Todesdrohungen der Camorra zwingen ihn zu einem Versteckspiel mit Personenschutz und wechselnden, geheimen Wohnsitzen. In seinem Buch „Das Gegenteil von Tod“ blickt er auf die Menschen, denen die Armut kaum eine andere Wahl lässt, als mit dem Unrecht zu paktieren.
Bei der gestrigen Pressekonferenz nahm er erneut die Gelegenheit war, auf den internationalen Aspekt der Mafia hinzuweisen. Diese ist zwar mit über 100 Milliarden Euro Umsatz allein in Italien nach Statistik der Anti-Mafia-Behörde der größte Wirtschaftsfaktor im Land, die Bekämpfung aber muss mit deutlich mehr Nachdruck auch im Ausland erfolgen. „In vielen Ländern – darunter auch Deutschland – ist die Beteiligung an einer mafiösen Vereinigung noch keine Straftat an sich. Diese Länder bieten der Mafia einen hervorragenden Operationsraum.“ Saviano ist überzeugt davon, dass auch den deutschen Behörden die Milliardengeschäfte der Mafia in Ostdeutschland nach dem Fall der Mauer nicht verborgen blieben.
Mit Worten kämpfen
Doch weil dem schmutzigen Geld keine öffentlichen Blutbäder wie in Italien folgten, habe man dies kritiklos hingenommen. Im Trockenlegen der Geldströme und in der Beschlagnahmung von Mafia-Vermögen (wie es in Italien häufig geschieht) sieht er die wirkungsvollste Waffe gegen das organisierte Verbrechen, denn „Verhaftungen und Verurteilungen allein reichen nicht aus“.
„Saviano spricht Dinge aus, die in Italien fast niemand zu sagen wagt, und hat damit auch unseren Blick auf Italien verändert“, heißt es in der Begründung der Jury. Saviano kennt die Schattenseiten dieses Lobes. Er lebt in einem „Nebel des Misstrauens, werde von vielen gehasst und als eine Art Nestbeschmutzer angesehen“, erklärte er. Dabei sei es die Liebe zu seiner Heimat, die ihm helfe, durchzuhalten und weiter zu schreiben. Und natürlich die Wut auf die Camorrista: „Aber sie werden es niemals schaffen, mich zum Schweigen zu bringen.“
Saviano rief dazu auf, gegen gesellschaftliches Desinteresse an seinem Thema anzugehen, weil es die Menschen isoliere, die gegen die Mafia kämpfen. So sieht es auch sein Freund Raffaele Cantone, der Jahre lang als leitender Staatsanwalt der Antimafia-Behörde in Neapel tätig war und darüber, auf Wunsch und Anraten Savianos, ein Buch schrieb („Allein für die Gerechtigkeit“, Kunstmann).
Wo immer Cantone hinkam, schlug ihm Skepsis entgegen. Die meisten Bürger hatten sich still mit den Mafiastrukturen in ihrem Umfeld arrangiert und wollten nur keinen Ärger. Selbst als es ihm gelang, ganze Clans zu zerschlagen, blieb der Jubel der Bevölkerung weitgehend aus: „Es sagte mir ein ehrbarer Bürger, dass es bis zur Zerschlagung des Clans die Camorra gewesen war, die wenigstens ein Minimum an Sicherheit für das Gemeinwesen garantiert hatte“, schreibt Cantone. Danach kamen Chaos, steigende Gewalt – und die Machtübernahme durch einen anderen Clan.
Volker Isfort