Im Bernsteinzimmer
Der Sieger tritt nach: Thielemann beschwert sich über mangelnde Kommunikation mit den Philharmonikern. Dabei schwebte er selbst gerne unerreichbar über den Dingen des Alltags
Hätte Zubin Mehta am Freitag den Friedensnobelpreis für seine Vermittlungsbemühungen im Streit zwischen den Münchner Philharmonikern und Christian Thielemann bekommen, wäre diesem wahrscheinlich in Dresden der Kugelschreiber aus der Hand gefallen. Und alles wäre gut.
Hätte, wäre, wenn. Thielemann geht nach Dresden, weil ihn die Verbindung von Oper mit Konzert reizt. Die vakante Staatskapelle ist auch besser als die Philharmoniker. Und noch will ihn dort auch kein Orchestervorstand aus erzieherischen Gründen entmachten. Ohne diese Konstellation würde heute wohl Hans-Georg Küppers freudestrahlend die Verlängerung des Vertrags verkünden.
Beide Seiten haben gepokert. Die Philharmoniker haben verloren, und ihr Vorstand hat den schwarzen Peter dazu. So ist das Leben. Unfein aber wirkt, wenn der Sieger Christian Thielemann schmutzige Wäsche über Urlaubsscheine, schlechte Gewohnheiten der Musiker und den Streit um einen Orchestermanager auspackt.
Wie alte Eheleute
Da kann man sich dann vorstellen, wie es vorher zugegangen ist. Eigentlich hätte der Generalmusikdirektor doch nur von seiner geliebten Allmacht Gebrauch machen müssen. Aber er schwebte immer über dem Tagesgeschäft. Thielemann war nie da, kam nur zu Proben und sagte Gespräche in letzter Minute gerne ab. Während des Gastspiels in St. Petersburg schaute er sich an Pfingsten lieber das Bernsteinzimmer an, statt mit dem Orchestervorstand anstehende Fragen zu klären.
Thielemann behauptet auch, erst seit Mitte September mit Dresden verhandelt zu haben. Formal mag das stimmen. Aber schon am 24. Juli, zwei Tage nach der ominösen Stadtrats-Abstimmung, bestätigte das sächsische Wissenschaftsministerium Gespräche mit dem Dirigenten. Wenn so etwas öffentlich wird, läuft schon länger was. Die Staatskapelle Dresden soll ihn übrigens schon 2003 zum neuen Chef gewählt haben. Wegen einer Intrige wurde es damals aber doch Fabio Luisi.
Unter Profis
Zwischen den Philis und Thielemann geht es zu wie unter zerstrittenen Eheleuten. Statt sich mit der Frage zu beschäftigen, wer wann was wo gesagt oder nicht gesagt hat, wäre es schön, wenn die noch anstehenden Konzerte in geregelter Ordnung ablaufen würden. Einer der Lieblingssprüche Thielemanns lautet: „Wir sind doch alle Profis.“ Hoffentlich hält er sich daran. Versproche hat er es.
Der Staatskapelle Dresden aber raten wir, klüger zu sein als die Münchner und dem neuen Chef ein Handy samt Mailbox zu schenken, damit er hinterher nicht behaupten muss, er wäre über dies und jenes wieder nicht informiert worden.
Robert Braunmüller