Identitäten zum Anziehen

Mit „Mia san Murat“ starteten die Kammerspiele ihr Projekt "Doing Identity".
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Mit „Mia san Murat“ starteten die Kammerspiele ihr Projekt "Doing Identity".

Was man neu in sich trägt, trägt man auch nach außen, und wenn es lange Haare und ein Bart sind, die den inneren Wandel bezeugen. Murat Kurnaz hat sich als Muslim markiert, bevor er im Herbst 2001 nach Pakistan flog, um im Umkreis der streng islamischen Bewegung „Tablighi Jamaat“ den Koran zu studieren. Er kehrte August 2006 im gleichen Look nach Bremen zurück, nachdem er in Peschawar verhaftet und über vier Jahre lang als vermeintlicher Terrorist in Guantanamo inhaftiert wurde.

Im Neuen Haus der Kammerspiele soll die Identität weggeschoren werden: Als Onkel des Rückkehrers setzt Murat Aydin das Rasiermesser an die Kehle von Murat-Darsteller Steven Scharf. Die Rasur wird zur Generalüberholung, die auch Rücken und Hintern einschließt. Regisseur Bülent Kullukcu und sein Ensemble Generation Aldi lassen in „Mia san Murat“ die Folter in die Farce kippen. Das berüchtige „Water Boarding“, das dem Gefangenen Ertrinken suggeriert, inszeniert Scharf als Ossi-Regisseur mit Anna Böger in der Murat-Rolle als komisch-beklemmende Wasserschlacht.

Der Ton der Inszenierung, mit der die Kammerspiele das Projekt „Doing Identity“ startete, trifft die Absurdität der Kurnat-Bio. Wie man ein Lamm schlachtet, das demonstriert Murat Aydin, Lasse Myhr bekommt die Riesen-Keule später als Bambi verliehen. Als Opferlamm auf der Schlachtbank derMedien erscheint der „Deutsch-Türke“, wobei Kullukcu das als Selbstinszenierung kennzeichnet: Sein Kurnaz ist eine Kunstfigur, die von allen gespielt werden kann. Die Darsteller verkörpern auch die Bremer Porno-Rapperin Lady Bitch Ray, die Obszönitäten in ihre Sprech- Musik einwickelt, um als „feministische Künstlerin“ in den Charts zu landen.

Eine erfolgsträchtige Strategie. Auch Kullukcu verpackt seine Botschaften in Klänge, lässt sein Quartett als Band auftreten, die in der Lounge-Atmosphäre des Neuen Hauses ihre Songs proben. Schauspieler als Rocker, die Verwandlung gerät hörens- und sehenswert, auch dank der Kostüme von Constanze Knapp. Kleider machen Leute: In der zum „Toy-Void“ verwandelten Theaterkasse der Kammerspiele hängen jetzt Schneidereien der afrikanischen Familie Darouche. Viele Mitglieder leben in Süddeutschland. Anhand ihres Beispiels erkundet Johannes Buss bayerisch-afrikanische Identitäten. In den zwischen Tradition und europäischer Moderne oszillierenden Modestücken kommen sie reizvoll zum Vorschein.
Michael Stadler

Kammerspiel, Kassenhalle „Toy-Void“, bis 5. 2, Di – Sa 12 – 20 Uhr; „Mia san Murat“, Neues Haus, 31. 1., 6. und 15. 2., 20 Uhr, Tel.: 233 966 00

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