Ich will frei und kühn sein!

Der Organist und Selbstdarsteller Cameron Carpenter über Berlin, Los Angeles und sein Konzert in der Gasteig-Philharmonie
Adrian Prechtel |
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Sein Umgang mit den Manualen und Pedalen grenzt ans Artistische. Cameron Carpenter, bekannt geworden durch eine auf Youtube verbreitete Orgel-Version von Chopins „Revolutionsetüde”, spielt heute auf der großen Orgel in der Philharmonie im Gasteig.

AZ: Mr. Carpenter, Sie tragen exzentrische Kleider und haben – im Programmheft zu sehen – eine Handschrift wie aus dem 19. Jahrhundert. Woher kommt das?

CAMERON CARPENTER: Meine Eltern haben mich nicht auf eine öffentliche Schule geschickt, sondern von ihnen privat unterrichtet. In Deutschland hat das keinen guten Ruf, ich weiß. Meine Mutter hat mir diese besondere Handschrift aus dem 19. Jahrhundert beigebracht. Und meine Kleidung entwerfe ich selbst.

Bei Leonhard Cohen gibt es die Zeile: „First we take Manhattan, than we take Berlin”. Warum sind Sie nach Berlin gezogen?

Das hat künstlerische Gründe. In New York, wo ich zehn Jahre lang gewohnt habe, gibt es immer noch die strikte Trennung von Hoch- und Unterhaltungskultur. Ich lehne das ab, ebenso wie Klassendünkel. Berlin ist arm, aber sexy. Für Künstler ist das ein unglaublich lebendiger Ort. Die Stadt balanciert ideal meinen anderen Wohnsitz aus: Los Angeles.

Was bietet Berlin?

Von hier aus lässt sich eine europäische Karriere aufbauen. Man ist auch den Leuten näher als in L.A. Außerdem will ich die deutsche Kultur besser verstehen, nicht nur Bach.

Und Los Angeles?

Hier finde ich alles, um Aufnahmen zu machen und meine Idee einer digitalen Orgel zu verwirklichen.

Warum genügen Ihnen die üblichen Instrumente nicht?

Ich sehne mich nach einem Instrument, mit dem ich tief vertraut bin. Mit einer normalen Orgel wird das nie gehen, weil man die wegen ihrer Größe nicht mit sich tragen kann.

Warum steht nirgends, was Sie heute spielen?

Ein Programm anzukündigen, wäre, wie über jemanden zu urteilen, den ich nie getroffen habe. Jede Orgel ist anders. Ich probiere sie aus, versuche ihr näher zu kommen. Daraus ergibt sich das Programm.

Und wie schätzen Sie die Münchner Orgel ein?

Ich habe vielleicht zwölf Stunden an ihr verbracht, aber das heißt nicht, dass ich sie mir voll erschlossen hätte. Das Problem ist, dass man sich vor den Zuschauern nicht obdachlos fühlt, dass man an einem Instrument sitzt, mit dem man nicht tief vertraut ist.

Warum spielen Sie so oft Bearbeitungen, die nicht für Orgel komponiert wurden?

Natürlich wurden Orgelwerke mit dem Orgelklang im Kopf geschrieben. Aber andererseits gibt es „die” Orgel nicht, weil jedes Instrument anders ist. Bach ist da noch am besten, weil er dem Interpreten viel Freiheit bei der Ausgestaltung lässt. Das Gegenteil findet man bei César Franck, der extrem spezifische Anforderungen und Klangfarben verlangt, die so viele Orgeln gar nicht erfüllen können.

Woran arbeiten Sie gerade?

An einer Orgelversion von Teilen aus Wagners „Siegfried”. Dazu muss man sehr frei und kühn sein.

Philharmonie, 20 Uhr, Restkarten zu 22 bis 46 Euro an der Abendkasse

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