Ich war noch niemals in München
Warum die Münchner Musical-Fans eine Ewigkeit auf die ganz großen Hits lange warten müssen
Wer Musicals mag, sollte nach Hamburg ziehen. Im Theater am Hafen läuft der Dauerbrenner „König der Löwen“. In der Neuen Flora streicht „Tarzan“ durch den Dschungel. Im Operettenhaus an der Reeperbahn löst im Herbst 2010 das von Whoopi Goldberg produzierte „Sister Act“ den Udo-Jürgens-Erfolg „Ich war noch niemals in New York“ ab, der dann nach Stuttgart umzieht.
Bis solche Hits zu uns kommen, kann man lange warten. Privatwirtschaftliche Musicals müssen ihre Kosten durch lange Laufzeiten einspielen. Deshalb werden sie erst „en suite“ in ununterbrochener Folge an einem Theater gespielt. Bei nachlassender Nachfrage touren die Aufführungen durch die Provinz, zu der in diesem Fall auch München zählt. Erfolge wie „Mamma mia“ oder „Elisabeth“ schauen dann für ein paar Wochen auch im Deutschen Theater vorbei. Erst wenn sich das nicht mehr rechnet, hätte auch der Gärtnerplatz eine Chance, die Rechte zu erwerben.
Bloß keine Konkurrenz
Dass der Glamour bei uns verhalten strahlt, ist politisch gewollt, obwohl es dem Städtetourismus eigentlich schadet: Der städtische Eigenbetrieb Deutsches Theater wird vom fürsorglichen Rathaus vor Konkurrenz bewahrt. Denn Deutschlands Musical-Platzhirsch, die Stage Entertainment, versucht seit Jahren neben ihren Häusern in Hamburg, Berlin und Stuttgart auch ein Theater in München zu eröffnen. Das Unternehmen war unter den Bietern, als das Deutsche Theater privatisiert werden sollte und verhandelte mit dem Rathaus lange über das vor sich hingammelnde Radstadion, das nun doch dem olympischen Geist der Winterspiele 2018 geweiht werden soll und nicht den heiteren Musen.
Stephan Jaekel, Sprecher von Stage Entertainment, beschwert sich trotzdem nicht: Derzeit habe zwar die Planung einer vierten Bühne in Hamburg Vorrang, aber sein Unternehmen bleibe weiter an einer Spielstätte in München interessiert. Und mit dem Deutschen Theater wolle er es sich auch nicht verderben. Auch angestaubte Produktionen machen dort noch immer gutes Geld.
Eine Große Koalition fürs Musical
Ab 2011 zieht das Deutsche Theater wieder in sein renoviertes Stammhaus an der Schwanthaler Straße zurück. Das hat die SPD-Fraktion im Juli auf die Idee gebracht, ein zweites Musical-Theater in der frei werdenden Fröttmaninger Zeltstadt vorzuschlagen. Eine Antwort aus dem Rathaus haben Alexander Reissl und Ingrid Anker jedoch bisher nicht erhalten. Die Stage Entertaiment ist an den Zelten nicht interessiert. „Wir bevorzugen ein innerstädtisches Umfeld für unsere Bühnen“, sagt Jaekel.
Carmen Bayer und Werner Steer, die Geschäftsführer des Deutschen Theaters, würden einen En-Suite-Betrieb nicht als Konkurrenz fürchten: „Unsere Bühne ist mit seinem wechselnden Programm primär ein Haus der Münchner, in dem nach drei bis sechs Wochen immer ein neues Stück zu sehen ist.“ Sie weisen auch auf den Pferdefuß hin: „Zu bedenken ist aber in jedem Fall, dass es in der Vergangenheit bereits Verhandlungen mit Stage Entertainment gab, in denen diese die Realisierung eines Theaters immer vom Erhalt öffentlicher Gelder abhängig gemacht hat.“
Eine städtisch geförderte Konkurrenz zum Deutschen Theater wäre in der Tat absurd. Auch Ursula Sabathil (CSU) findet, dass München eine zweite Musical-Bühne gut verkraften könnte. „Ein weiteres Theater, das keine Schwellenangst verbreitet, fände ich gut.“ So viel parteiübergreifender Konsens lässt aber eher fürchten, dass sich in dieser Sache weiter gar nichts tut.
Robert Braunmüller