„Ich war eins mit Hitler“
Johannes Zirner über die Faszination und den Schrecken bei der Aufgabe, im Dokumentarspiel den größten Verbrecher aller Zeiten zu geben
Eine überfällige Premiere: Der BR hat erstmals Hitlers frühe Jahre in München verfilmt: „Hitler vor Gericht“ zeigt, wie der Nazi-Wahnsinn begann. Den ungewohnt jugendlichen Hitler spielt Johannes Zirner. Der 1979 in Herdecke geborene Berliner ist Sohn des Schauspielers August Zirner und arbeitet fürs TV wie auch fürs Theater.
AZ: Herr Zirner, warum ist man bei einem deutschen Hitler-Darsteller so schnell in Versuchung, einen schlechten Scherz zu machen? Fast hätte ich nämlich gesagt: Hallo Herr Hitler, wie geht’s?
JOHANNES ZIRNER: Über die Figur Adolf Hitler hat man sich schon immer lustig gemacht. Er war ja fast eine lebende Karikatur seiner selbst: dieses Auftreten, dieser absolut überhöhte Glauben an sich selbst – das ist eine Witzfigur, wenn auch eine fürchterliche.
Was war Ihr erster Gedanke, als man Ihnen die Rolle anbot?
Ich habe sofort ja gesagt. Zum einen, weil ich Regisseur Bernd Fischerauer gut kenne, zum anderen weil mich die Rolle „Hitler um 1923/24“ wahnsinnig gereizt hat. Erst etwas später habe ich mich gefragt: Was kommt da auf dich zu? Wie kann ich das überhaupt darstellen?
Ist diese Rolle für einen deutschen Schauspieler besonders schwer oder besonders leicht?
Beides. Sie ist für Schauspieler sozusagen ein gefundenes Fressen, weil man so viele Vorgaben und Anhaltspunkte hat bei der Figur. Aber es gibt auch riesige Verantwortung der Geschichte gegenüber.
Spielt sich das Böse immer besonders gut, wie etwa auch bei RichardIII.?
Das ist schwer zu sagen, der Richard III. von William Shakespeare ist toll, weil der Text so toll ist. Bei Hitler ist der Text nicht so toll, aber authentisch. Solche Rollen haben einen besonderen Reiz.
Gab es Momente beim Drehen, wo Sie dachten: Was macht diese Rolle mit mir?
Ja, durchaus. Sogar im Nachhinein, jetzt noch. Wenn ich zum Beispiel ein Foto vom Set sehe, auf dem ich als Hitler gerade einen Scherz mache, dann frage ich mich, ob ich in diesem Moment vergessen durfte, welche furchtbare Person ich gerade darstelle.
Kann man, wenn man diese Rolle gespielt hat, besser nachvollziehen, was die fatale Faszination dieses Mannes ausgemacht hatte?
Auf jeden Fall. Wenn jemand so überzeugt von sich selbst ist wie das Hitler offenbar war, dann entsteht diese Wirkung auf andere Menschen.
Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, geht davon aus, dass der Film entscheidend dazu beitragen werde, jungen Menschen die Augen zu öffnen. Kann man so einem Anspruch gerecht werden?
Ich hoffe es. Der Film soll ja auch an Schulen und bei vielen anderen Anlässen gezeigt werden. Er zeigt Hitlers erste Schritte weit vor der Machtübernahme. Er macht deutlich, wie ein Mann mit diesem Wahnsinn tatsächlich andere Menschen mitreißen kann, in einem ganz fatalen Sinn.
Dabei kann man auch schnell ins Pädagogische abgleiten.
Sicher, aber das haben wir vermieden. Auch wenn das jetzt eigenartig oder schräg klingt, aber: Als ich die Rolle spielte, war ich absolut einer Meinung mit Hitler, ich war mit ihm eins. Anders kann man die Rolle nicht spielen.
Hat Ihnen ihr Vater, der als Sohn jüdischer Emigranten in den USA geboren wurde und ebenfalls Schauspieler ist, Tipps für die Rolle gegeben?
Nein, so etwas machen wir nicht vor einem Projekt, wir reden erst darüber, wenn es fertig ist. Aber ich hatte schon den Gedanken, dass ich wegen meiner jüdischen Vorfahren mit dem Film auch eine Art persönliche Vergangenheitsbewältigung angehen kann, indem ich durch meine Interpretation etwas zum Verständnis dieser Figur beitrage.
Der Film ist ein Dokumentarspiel und schafft sich zwangsläufig eine eigene Realität. Kann das als Unterhaltung missverstanden werden?
Nein, Dank der Regie sind wir ganz klar bei der Sache geblieben. Da war nie die Rede davon, aus dramaturgischen Gründen noch schnell eine Schießerei einzubauen oder Ähnliches.
Würde es Sie reizen, in zehn oder zwanzig Jahren auch den späten Hitler bis zum Untergang zu spielen?
Das kann ich mir schon vorstellen, natürlich. Ich hätte dann ja quasi schon eine Vergangenheit mit der Figur, das wäre spannend. Aber darüber denke ich nach, wenn es soweit sein sollte.
Michael Grill
Der Film ist zu sehen im BR am 4.4. (20.15 Uhr)