Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt
Druck aufbauen. Davon versteht Santigold etwas. Erst darf im rappelvollen Backstage mit Theophilus London eine elektrisierende Electro-Rapgruppe der Menge einheizen, und dann lässt sie sich auch noch viel Zeit. Als um kurz vor Zehn von der gehypten US-Sängerin immer noch nichts zu sehen ist, legen sich Pfiffe über das Hintergrundgedudel von „In the Air Tonight”. Aber plötzlich schwillt der angestaubte Phil Collins-Hit an, das Licht geht aus, und... wieder nichts.
Als die farbige Hitlieferantin für Stars wie Jay-Z in einem gaga Camouflage-Krankenschwester-Outfit endlich erscheint, ist die kurze Missstimmung wie weggeblasen. Mit „Go!”, einem treibenden Synthierock-Brett, lädt Santigold zum Tanzen ein, und für die richtigen Moves sind ihre zwei „Ladies” zuständig. Die sonnenbebrillten Grazien wackeln gekonnt mit dem Popo, zeigen skurrile Winnetou-Indianertänze oder irritieren mit Kindergarten-Winke-Winke-Gesten. Der Popanz ist jedoch ganz bewusste Willkür, denn Santigold steht für einen frischen Sound, der sich mit seinem basslastigen, anspruchsvollen Beat-Gebläse nirgendwo richtig verorten lässt. Die junggebliebene 35-Jährige verstärkt ihre musikalische Chaostheorie durch überraschende Live-Aktionen, wie wenn sich ihre Band zwischenzeitlich als menschliches Pferd verkleidet.
Das „Alles ist möglich”-Prinzip” sorgt 80 Minuten für beste Stimmung, kann aber über ihre schwächelnde, mit künstlichem Hall verstärkte Quakstimme nicht hinwegtäuschen. Und auch den Regenschirmtanz zum Handy-Werbung-Hit „Disparate Youth” hat man bei Rihanna schon gesehen. Oder war das am Ende auch nur eine Hommage?