Ich habe fertig, ihr Flaschen!

Der Trapattoni der Oper: In seinen Erinnerungen präsentiert Ioan Holender, langjähriger Direktor der Wiener Staatsoper, gehobenen Opernklatsch über Lorin Maazel, Thielemann und Co.
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Der Trapattoni der Oper: In seinen Erinnerungen präsentiert Ioan Holender, langjähriger Direktor der Wiener Staatsoper, gehobenen Opernklatsch über Lorin Maazel, Thielemann und Co.

Vorsicht, meine Herren Christian Ude und Hans-Georg Küppers! Dieses Buch sollten Sie lesen, ehe Lorin Maazel in einem Jahr seinen Dreijahresvertrag als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker antritt. Es könnte nämlich sein, dass im Lenbachhaus bald ein paar hübsche Kandinskys fehlen.

In seiner Wiener Zeit, so Ioan Holender in seinen Memoiren, verlangte Maazel ihm gefallende Gemälde aus Staatsbesitz für seine Wohnung. „Dafür versorgte er diejenigen, die das genehmigten, mit Freikarten.“ Wenn ihm allerdings kurzfristig anderswo ein erstrebenswertes Dirigat angeboten wurde, sagte er an der Staatsoper ab und ließ sich von einem Spezl vertreten.

Solche Geschichten hat Holender auch über Christian Thielemann parat. Der habe ihm bis 2010 einen jährlichen „Parsifal“ zur Osterzeit versprochen: „Diese Abmachung hielt er bis 2008, danach kam er nicht mehr. Kapitalkräftigere Spielstätten wie Abu Dhabi oder Baden-Baden waren für ihn attraktiver geworden.“ Sowieso kümmere er sich „ausschließlich um die von ihm dirigierten Werke und seine Besetzungen“ – was man von den Philis auch schon so ähnlich gehört hat.

Wer polternden Operntratsch lesen will, wird von diesen Memoiren trefflich bedient: Münchens Oper wurde mit Ach und Krach durch Zubin Mehta vom barockopernbedingten Absturz bewahrt. Berlin hat mindestens ein Opernhaus zu viel, die Salzburger Festspiele sind sowieso völlig unseriös. Derlei Klartext wiegt vielfach den hölzernen Chronik-Ton auf, in dem dieses Buch über weite Strecken verfasst ist.

Viele Bosheiten, nur nicht über Nikolaus Bachler

Aber manches ist auch ernster. Eindringlich schildert Holender den trüben kommunistischen Antisemitismus, der ihn 1959 aus seiner Heimat Rumänien vertrieb. In Österreich schlug er sich anfangs als Opernbariton durch, baute eine erfolgreiche Agentur auf und kam 1991 als Co-Direktor des früh verstorbenen Eberhard Wächter an die Wiener Staatsoper. Er blieb als bisher längstgediente Chef bis 2010, was ihm anfangs niemand zutraute.

Holender hat das Haus vorsichtig dem Regietheater geöffnet, von dem er wenig hält. Seine ehrenwerten Verdienste um die Aufarbeitung der braunen Vergangenheit der Wiener Oper kann er guten Gewissens herausstreichen. Dass der Alltag eines Intendanten dem Hüten eines Sacks Flöhe ähnelt, wird aus dem Buch auch deutlich. Aber es gibt auch Glücksmomente, wenn sich die Absage des wortbrüchigen Thielemann in die Entdeckung des exzellenten „Tristan“-Dirigenten Franz Welser-Möst verwandelt.

Als Lorin Maazel 1998 für Mahlers „Symphonie der Tausend“ in die Staatsoper zurückkehrte, „rückte er mit drei Bodyguards an“. Sein „Hang zur Mystifikation“ hatte sich zu einer „Art Verfolgungswahn gesteigert“. Gottlob haben wir davon bei der Vertragsunterzeichnung am Karsamstag im Rathaus nichts bemerkt. Auf Nikolaus Bachler, seinen alten Wiener Bekannten, lässt Holender übrigens nichts kommen: Den berät er nämlich.

Robert Braunmüller

Ioan Holender: „Ich bin noch nicht fertig“ (Zsolnay, 288 Seiten, 19.90 Euro)

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