Humor mit Tiefgang
Musikalische Lesung für Connaisseure: Alfred Brendel und Pierre-Laurent sorgen im Prinzregententheater für einen delikaten Abend
Der unfreundliche Gedanke „Kann der denn gar nicht aufhören?“ schoss einem bei der Ankündigung dieses Abends durch den Kopf. Auch der Rezensent gesteht, mit gemischten Gefühlen zur dieser musikalischen Lesung ins schlecht besuchte Prinze aufgebrochen zu sein. Alfred Brendel, der sich 2008 vom öffentlichen Klavierspiel verabschiedet hat, las dort aus seinem Gedichtband. Zum Rezitator ist er wegen seines Sprachfehlers nicht geboren. Auch die dumpfe Verstärkung störte anfangs: Schließlich hat er früher auch nicht auf dem E-Piano gespielt.
Mit der Finesse des altösterreichischen Feuilletons
Nach ein paar Minuten war alles vergessen, weil das Timing stimmte: Musik und Gedichte folgten Schlag auf Schlag. Der Witz kurzer Klavierstücke der modernen Ungarn György Kurtág und György Ligeti passte bestens zu den sprühenden Pointen von Brendels Miniaturen im besten altösterreichischen Feuilletonstil. Auf eine gesprochene Veralberung der Vollgriffigkeit bei Brahms folgte beispielsweise Kurtágs hundsgemeine, für Handkanten komponierte „Hommage à Tchaïkowsky.
Der brillante Pianist Pierre-Laurent Aimard war kongenial besetzt, weil er weder Erinnerungen an Brendels Spiel noch an sein Repertoire weckte. Dem konservativen Münchner Klavierpublikum wurde sehr raffiniert geistreiche Musik des letzten halben Jahrhunderts untergejubelt. Und Brendels Witze sind einfach allerliebst. Alle waren glücklich: Selten waren Humor und Tiefgang so im Gleichgewicht wie an diesem vergnüglichen Abend.
Robert Braunmüller