Hühner auf der Herdplatte
Dreimal Fotografie: Das Stadtmuseum zeigt eine Doppelausstellung der Fotojournalisten Guido Mangold und Max Scheler, im Haus der Kunst verbreitet Michael Schmidt deutsche Düsternis
Schon der alte Tacitus schildert Germanien als neblige Gegend mit hässlichen Bewohnern. Falls in den nächsten Tagen doch noch die Regenwolken abziehen sollten, empfiehlt sich zur Wiederherstellung echter Deutschlanddüsternis ein Besuch im Haus der Kunst: In Fotografien von Michael Schmidt steht der Ostflügel ganz im Zeichen der Farbe Grau.
Die Düsternis liegt ihm im Blut: Schon im Mutterleib wurde der 1945 Geborene im Bombenhagel am Oranienburger Platz über Leichenberge getragen. Wie es sich für einen Deutschen ziemt, war er erst Polizist, ehe er sich mit 20 der Lichtbildnerei zuwandte. Seitdem arbeitet der Autodidakt ausschließlich in Schwarzweiß. Seine Motive sind Hühner auf der Elektroherdplatte, Berliner Interieurs, entblößte Frauen von Nebenan und Aldi-Märkte im deutschen Nirgendwo.
Den großen Saal des Ostflügels bespielt die Ausstellung mit Schmidts „EIN-HEIT“ von 1991: Die im Kontrast zum Riesenraum kleinformatige Serie mischt gerasterte Bilder von Adenauer, DDR-Politikern mit eigenen Fotografien von Alltagsmenschen. Auch ein Passfoto des Künstlers ist dabei.
Andere Bilder spielen in diesem düsteren Panorama deutscher Kleinbürgerlichkeit auf die bleierne RAF-Zeit und die Nazi-Vergangenheit an. Nachdem 99 Prozent aller Münchner die unerfreuliche Vergangenheit des Ausstellungsgebäudes ab 1937 mitbekommen haben dürften, wirkt diese Verbindung aus Kunst und Raum zunehmend wohlfeil und mehr auf den Grusel von US-Touristen berechnet. Schmidts Werke wirken zufällig und kunstlos, sind aber gerade deshalb Kunst.
Fotos zweier ausgezeichneter Handwerker, die sich nie als Künstler verstanden haben, zeigt derzeit das Stadtmuseum am Jakobsplatz in einer Doppelausstellung. Der 1943 in Ravensburg geborene Guido Mangold fotografierte für Illustrierte wie „Quick“, „Eltern“ und „Playboy“. Die 1968 in Kamerun für „twen“ entstandene Bilderstrecke mit Uschi Obermaier brachte deren Durchbruch als Model. Später entstanden Reisereportagen für „Geo“ und eine akribisch vorbereitete Langzeitdokumentation über die Alpen: „Man sieht nur, was man weiß“ war das Motto Mangolds, der heute in Ottobrunn bei München lebt.
Ähnlich und für die gleichen Zeitschriften fotografierte Mangolds 2003 verstorbener Kollege Max Scheler. Er schilderte Menschen und ihre Geschichten, die er im Alltag, in Krisen und in Kriegen beobachtete. Sein besonderes Interesse galt dem Zwiespalt aus Fortschritt und Provinzialität in den USA. Scheler und Mangold kommen nie so düster daher wie Schmidts graues Germanien. Chronisten unserer Zeit aber sind auf ihre Weise alle drei.
Robert Braunmüller
Haus der Kunst: bis 22. August, täglich 10 bis 20 Uhr, Stadtmuseum: bis 12. September, Di bis So 10 bis 18 Uhr. Zu Mangold und Scheler erschienen Bildbände bei Schirmer & Mosel