"How to have Sex" und das Ende der Unschuld
Der Grundsatz "Nein heißt Nein" steht seit 2016 im Strafgesetzbuch. Aber kann ein "Ja" in gewissen Situationen nicht auch mal "Nein" bedeuten?
Die heikle Grauzone in Sachen Einvernehmlichkeit stellt die junge Regisseurin Molly Manning Walker in "How to have Sex" zur Diskussion. Hoch anzurechnen ist ihrem mehrfach preisgekrönten Regiedebüt, dass es auf vorschnelle Urteile und populistische Moralkeulen verzichtet. Vielmehr veranschaulicht Walkers fulminant-realistisches Coming-of-Age-Drama, dass der Druck gesellschaftliche Normen zu erfüllen für Teenies so hoch ist, dass sich daraus fatale Konsequenzen ergeben.
Saufgelage und Strand
Walkers etwas anderer Partyfilm ist eigentlich ein Zweiteiler. In der ersten halben Stunde erleben wir die Freundinnen Tara (Mia McKenna-Bruce), Skye (Lara Peake) und Em (Eva Lewis), wie sie nach den letzten Schulprüfungen in der Küstenstadt Malia sich dem Exzess hingeben. Minutiös, aber ohne zu werten, schildert Walker den Party-Alltag der drei ausgelassenen 16-Jährigen. Auf dem Programm steht kein Trip nach Knossos, sondern nach Promille. Zwischen Saufgelagen wird in Clubs gefeiert, dann wieder gekotzt und gepennt. Man will ja den "besten Urlaub aller Zeiten" erleben. Und dazu zählt für die aufgeweckte Tara auch, dass sie "nicht als Jungfrau sterben will". Wenig überraschend mangelt es im Hotel auch nicht an brunftigen Jungs, wobei vor allem der "sexy Clown" Badger (Shaun Thomas) ein Auge auf sie geworfen hat.
Nach einem zarten "Ja": Sex
Der Bruch folgt am Strand bei Nacht, als der stillere, um dumme Sprüche ("Entspann dich, ich will dich ja nicht heiraten") aber nicht verlegene Paddy (Samuel Bottomley) die Unsicherheit und Betrunkenheit von Tara ausnutzt, um mit ihr - nach einem zarten "Ja" - Sex zu haben. Walker gelingt es, dass die Szene weder voyeuristisch noch konstruiert wirkt, was neben ihrem Beobachtungstalent auch am Feingefühl beim Casting liegt.
Herzzerreißend glaubwürdig spielt gerade die für den Europäischen Filmpreis nominierte Mia McKenna-Bruce die Folgen des Übergriffs für Tara. Wie im Dunstschleier und völlig abgekoppelt von der Party-Wirklichkeit wirkt fortan das Mädchen. Ohne Chance ihre - seelische Verletzung - zu artikulieren, lässt sich Tara weitertreiben an diesem nur auf einen Vulgär-Exzess ausgerichteten Ort, der abseits der Neon-Lichter elend wirkt.
Dieser so schmerzhafte wie illusionslose Film, der mit seiner fiebrigen Handkamera ganz nah an seine unsicheren Noch-Nicht-Erwachsenen rückt, gefällt am Ende auch als starkes Plädoyer dafür, dass mehr Sensibilität für sich und andere nicht nur beim nächsten Party-Urlaub wertvoll sein kann.
Kino: Monopol
R: Molly Manning Walker
(GB, 96 Min.)
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