Hommage an die Liebe

Im Cuvilliés Theater inszenierte Tina Lanik „Diesseits“ von Thomas Jonigk. Hauptdarstellerin Juliane Köhler glänzt als komischer Unglücksrabe
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Im Cuvilliés Theater inszenierte Tina Lanik „Diesseits“ von Thomas Jonigk. Hauptdarstellerin Juliane Köhler glänzt als komischer Unglücksrabe

Ich habe aber auch wirklich gar kein Glück“, stöhnt Paula resigniert. Der Mann, den sie mit einer Pistole bedroht, hat ihr eben freundlich erklärt, dass die Apotheke, die sie überfallen wollte, nebenan ist. Dies ist eine Bank. „Auf einen Bankraub bin ich überhaupt nicht vorbereitet“, seufzt Paula. Er strahlt sie an: „Dafür, dass der Überfall gar nicht geplant war, machen Sie das hervorragend.“ Wie ein Unglücksrabe sich emanzipiert, beschreibt das 2007 uraufgeführte Stück „Diesseits“ von Thomas Jonigk mit viel trockenem Witz und Ironie. Tina Laniks Inszenierung im Cuvilliés Theater lässt zwar die heftig bejubelte Hauptdarstellerin Juliane Köhler glänzen, erstaunt aber sonst durch fantasielose Flachheit.

Der Vater spricht aus dem Jenseits

Die Bühne (Magdalena Gut) hat den Charme eines Parkhauses: düstere Beton-Tristesse, Heizkörper, verschachtelte graue Wände. Bei soviel Hässlichkeit ist es kein Wunder, dass Paula an Selbstmord denkt. In ihrem Leben läuft alles schief. Sie hat keinen Mann, keinen Beruf, verliert ihren Job und hat zudem einen Gehirntumor. Ihre erfolgreiche Schwester und ihr Schwager (Beatrix Doderer und Robert Joseph Bartl spielen mehrere Rollen) demütigen sie mit herablassendem Mitgefühl. Auch der vor 30 Jahren an einem Gehirntumor gestorbene Vater (Janko Kahle), der Paula aus dem Jenseits besucht, weiß anfangs wenig Nettes über sie zu sagen.

Aber da ist plötzlich Dietmar, der Bankangestellte, der sich beim Überfall vom Fleck weg in Paula verliebt und nun hartnäckig um sie wirbt. Felix Rech spielt ihn frisch, aufrichtig und verständnisvoll. Wenn beide sich in die Vision einer scheiternden Ehe hineinsteigern, beschwören sie komisch und bitter alle ihre Ängste und bannen sie gleichzeitig.

Ekstase und Leidenschaft

Paula rechnet mit der Familie ab, söhnt sich mit dem Vater aus und traut sich am Ende zum Arzt, um den Befund ihres Tumors zu erfahren. Juliane Köhler brilliert als armes verschusseltes Hascherl, das verwundert seine Stärken entdeckt. „Hier geht es beinhart um Ekstase und Leidenschaft“, ermuntert sie sich selbst zum Sex mit einem Kontaktanzeigenpartner.

Nur zwei Mal öffnet sich – Ausblick in die Zukunft? – an der Rückwand eine Tür ins Freie. Federn stieben beim ersten Erscheinen des Vaters, Frühlingsgefühle kommen am Ende auf, wenn Dietmar mit einer Rose erscheint. Das ist eine Hommage an die Liebe – im Diesseits. Sonst verweigert Regisseurin Tina Lanik jeden Hauch von Poesie oder Surrealismus. Dafür serviert sie platte Regieeinfälle. Weil sich Schwester und Schwager Hase und Maus nennen, treten sie einmal in Plüsch-Tierkostümen auf wie aus Disneyland entsprungen. Das möchte man wirklich nicht mehr sehen.

Gabriella Lorenz

Cuvilliés Theater, 25., 28. Mai, 4., 10., 16., 18. Juni, 20 Uhr. Karten unter Tel. 2185 1940

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