Holt mich hier raus – und zwar sofort!

"Erfindungsabende" sind eine nette Idee. Was aber, wenn Schorsch Kamerun in den Kammerspielen nichts einfällt? Bei unserem Rezensenten löste sein Sammelsurium vor allem Fluchtreflexe aus.
von  Abendzeitung

"Erfindungsabende" sind eine nette Idee. Was aber, wenn Schorsch Kamerun in den Kammerspielen nichts einfällt? Bei unserem Rezensenten löste sein Sammelsurium vor allem Fluchtreflexe aus.

"Was kostet die Liebe?" fragten Schorsch Kamerun und Alexander Kluge in Zusammenhang mit Andreas Kriegenburgs Inszenierung „Alles nur der Liebe wegen“. Es war der Start für eine monatliche Reihe von „Erfindungsabenden“ mit Barbetrieb unter dem Titel „Holt mich hier raus (ich bin hier vor der Wand)“ in der Spielhalle, an denen rund um aktuelle Produktionen der Kammerspiele herum erfunden werden soll. Kamerun gibt den Showmaster, der klug abwesende Kluge liefert Archivalien aus seiner TV-Schatulle.

Von Seiten der Kammerspiele wurde schon vor der Veranstaltung gegenüber der AZ hoch und heilig erklärt, dass es für diesen Abend keine Inszenierung, nicht einmal Vorbereitung gegeben habe: „Die sind so arschcool. Die proben das nicht.“ Das glaubt man gern, auch wenn der allerdings schwer schleppende Fake einer Talkshow mit buntem Rahmenprogramm im Stile einer polleschesken Künstlertragikomödie natürlich Inszenierung ist.

Der Plot geht ungefähr so: Der Performer Schorsch Kamerun will einen Abend über die Liebe machen. Sein bester Kumpel Rocko Schamoni, Musiker und Autor, versucht, aus seinen Texten vorzulesen, muss aber dauernd selbst darüber lachen. Der Psychoanalytiker Marcus Coelen ist zu einem wissenschaftlichen Vortrag über die Liebe geladen, doch der missfällt mit zu viel Ironie. Der Experte fühlt sich instrumentalisiert, der Showmaster schmollt.

Die Pause überbrückt der aus „XY Beat“ hineingewehte Fabian Hinrichs. Er erzählt, wie ihm als 17-Jährigem eine Krampfader im Hoden verödet wurde. Dann nimmt er ein Bad. Alle machen zusammen mit Polly Ester und dem klanglich interessanten Chor „Jubelperser“ Musik. Unterdessen wächst im Betrachter der Wunsch, hier ganz schnell rausgeholt zu werden und festigt sich der Eindruck, dass Kamerun & Kluge die vermutlich peinlichste Theaterwissenschaftler-Party in der Stadt erfanden.

Mathias Hejny

Spielhalle der Kammerspiele, nächster „Erfindungsabend“ zum Thema Revolution am 21. Januar, 21 Uhr, Telefon 23396600

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