Hoffnung aus Kreuzberg
Reihenweise sterben die Hochglanz- und Kultur-Magazine, doch von Berlin aus startet mitten in der Krise „Aufstieg und Fall“ mit schwarzem Humor neu in den Zeitschriftenmarkt
Die Zeiten sind schlecht, die Auflagen bröckeln. „Park Avenue“, „Vanity Fair“ und andere hat die Krise schon hinweggefegt, viele kämpfen ums Überleben. Während der deutsche Zeitschriftenmarkt von einer Katastrophenmeldung zur nächsten taumelt, erinnern sich die ersten Magazinmacher anscheinend an das Uralt-Motto der Anarchorocker Ton Steine Scherben, die einst in Kreuzberg sangen: „Wenn die Nacht am tiefsten, ist der Tag am nächsten.“
Es ist 114 Seiten stark, soll viermal im Jahr bundesweit vertrieben werden und hat die gerade erschienene erste Ausgabe angeblich durch Anzeigen komplett finanziert: „Aufstieg und Fall“, ein in Berlin-Kreuzberg beheimatetes Kulturmagazin, das mit einer Auflage von 10000 startet und gerade vom Liebhaberprojekt auf ein professionelles Unternehmen umgestellt wird.
„Es geht uns nicht um News oder Klatsch. Wir sind nicht daran interessiert, Trends zu verkünden. Wir sagen unserem Leser: Hey, das kennst du vielleicht nicht, aber du könntest es mögen“, so Iván Aránega, ein 28 Jahre alter Spanier mit Erfahrungen bei „Vogue“ und „El Pais“, der fürs erste Heft als Chefredakteur hinzugeholt wurde. Das klingt ein bisschen nach „Neon“ und nach Fanzine, nach „Brand Eins“ und dem „Colors Magazine“ von Benetton, auf das sich Aránega selbst beruft.
"Rebellischer Geist"
„Aufstieg und Fall“ entstand aus dem Studentenverein „Berliner Kommunikations-Forum“ und soll nun in der Zeitschriftenbranche für großen Wirbel sorgen. Das Heft hat beim Layout einen radikal-künstlerischen Ansatz und geht mit Sarkasmus und schwarzem Humor in die Kultur- und Wirtschaftsthemen. In der ersten Nummer gibt es unter anderem Geschichten über das „Hochschlafen“, über den Milliarden-Betrüger Madoff und Michael Jackson, der bei Drucklegung allerdings noch lebendig war. Dazu literarische Texte auf Deutsch und Englisch sowie lange Bilderstrecken, etwa über ein Macho-Fest in Indien und ein Behindertenheim in Dänemark.
„Das Magazin hat einen rebellischen Geist“, so Aránega, „und wenn jeder pessimistisch ist, dann zelebrieren wir diesen Pessimismus.“ Also vielleicht doch nur ein Heft für Nerds und Agenturschnösel aus dem Kulturprekariat der Hauptstadt? „Es ist für jeden, der neugierig ist und unseren Humor hat“, widerspricht der Chefredakteur.
„Wir profitieren von der Medienkrise“, sagt Projektleiterin Sandra Broschat, „denn dadurch bekommt unser Neustart eine enorme Aufmerksamkeit.“ Das zweite Heft (5.80 Euro) plant sie für Oktober. In der Botanik gibt es den Begriff der Notfruchtifikation: Die letzte, heftige Samenproduktion absterbender Bäume. Dieses Bild auf den Zeitschriftenmarkt zu übertragen, wäre vermutlich genau die Art von Humor, die in „Aufstieg und Fall“ gut ankommen würde.
Michael Grill
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