Hitler wird sicher kein Bestseller
Das Münchner Institut für Zeitgeschichte wird nach Ablauf der Urheberrechte im Jahre 2015 Adolf Hitlers seit 1945 verbotenes Pamphlet „Mein Kampf“ wissenschaftlich kommentiert publizieren
Während seiner Haft in Landsberg schrieb Adolf Hitler 1924 den ersten Teil seines Pamphletes „Mein Kampf“ in dem er lange vor der Machtübernahme 1933 seine Weltanschauung schilderte und viele der Gräuel ankündigte, die später folgten. 1926 erschien der zweite Teil des Buches, das während der Nazi-Herrschaft insgesamt 12 Millionen mal vertrieben wurde. Bislang hat das Bayerische Finanzministerium, als von den Alliierten eingesetzter Rechteinhaber, die Publikation auch zu wissenschaftlichen Zwecken verhindert. Nun wird das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) das Propaganda–Machwerk nach dem Auslaufen der Urheberrechte 2015 als wissenschaftlich kommentierte Ausgabe herausbringen.
AZ: Frau Raim, war das Publikationsverbot von „Mein Kampf“ bislang Ihrer Meinung nach angebracht?
EDITH RAIM: Das Verbot von „Mein Kampf“ war zunächst sicherlich richtig, weil die Alliierten das Dritte Reich und die nazistische Ideologie mit Stumpf und Stiel ausrotten wollten. Einer früheren Veröffentlichung steht das Urheberrecht entgegen. Es ist aber zu bedenken, dass mittlerweile seit über 60 Jahren zum Dritten Reich geforscht und publiziert wird, eine kommentierte Ausgabe trifft daher auf ein ganz anderes Publikum. Angesichts der Länge von „Mein Kampf“ vermute ich, dass selbst eine kommentierte Ausgabe nur in Ausschnitten für Schulen und Universitäten von Interesse sein wird.
Es gibt verschiedene Versionen des Buches. Richtet sich das IfZ nach der Originalfassung von „Mein Kampf"?
Ausgangspunkt der Edition wird die erste Auflage von „Mein Kampf“ sein, die weiteren Auflagen sollen anhand dieses Textes überprüft werden.
Welchen Umfang wird der wissenschaftliche Anteil haben?
Über den Umfang und die Art der Kommentierung werden wir nach einer ersten Projektphase entscheiden.
Gibt es Kritik an Ihrer geplanten Publikation?
Eine derartige Publikation ist natürlich immer ambivalent. Einerseits muss das IfZ seinem Forschungsauftrag nachkommen, andererseits verstehe ich die Bedenken, man würde erneut NS-Gedankengut verbreiten. Mittlerweile ist aber auch die Mehrheit der Wissenschaftler der Meinung, dass eine kommentierte Ausgabe notwendig ist.
2015 laufen die Urheberrechte aus. Wird es einen publizistischen Wildwuchs und andere unkommentierte Ausgaben geben?
Die Verbreitung nazistischer Texte ist durch § 130 StGB untersagt. Dies wird auch 2015 und danach noch greifen. Lediglich für die Forschung gibt es streng begrenzte Ausnahmen. Durch eine wissenschaftliche kommentierte Ausgabe soll genau diesem publizistischen Wildwuchs vorgebeugt werden.
Befürchten sie einen „Bestseller“, oder würde Sie ein Erfolg der kommentierten IfZ-Ausgabe freuen?
Wissenschaftliche Bücher sind teuer, so dass ein Bestseller auszuschließen ist. Einen kommerziellen Gewinn werden daher weder das IfZ noch der Verlag haben. Freuen würde ich mich, wenn die Medien und die Öffentlichkeit eine ähnliche Aufmerksamkeit auch den anderen Publikationen des IfZ schenken würde wie etwa der außerordentlich wichtigen Quellenedition zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland.
Volker Isfort
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