Hirnwindungen kitzeln

Eine Ausstellung im Literaturhaus zeigt Robert Gernhardts letzte Bilder
von  Abendzeitung

Eine Ausstellung im Literaturhaus zeigt Robert Gernhardts letzte Bilder

Denk dir ein Trüffelschwein, denk’s wieder weg. Denk dir kein Trüffelschwein, denk’s wieder hin.“ Diese verquere Anweisung von Robert Gernhardt tut genau das, was der Lyriker auch als Maler gerne mit seinen Betrachtern anstellte: Sie manchmal leicht hilflos zurückzulassen, meist lächelnd, immer aber an irgendeiner Gehirnwindung gekitzelt.

Am Besten funktioniert das, wo sein dichterisches und zeichnerisches Genie aufeinandertreffen. Zum Beispiel bei Comicstrips wie „Schnuffi“, der Figur, die er für das Magazin „pardon“ ersann. Sie hängen bei der Münchner Ausstellung in einer Art Humor-Ecke mit anderen Strips – unter anderem dem weinenden Frosch, der vom Bahnwärter aus Mitleid geküsst wird, woraufhin dieser zwei identische Bahnwärtersgattinnen am Kaffeetisch sitzen hat und erleichtert ist: Gerade noch mal gut gegangen.

Aber so gern Gernhardt auch in die Kalauer-Ecke gestellt wird, und so wohl der Co-Autor der Otto-Filme sich dort auch fühlte – Gernhardt kann mehr und fühlte sich durchaus auch im ernsten Fach wohl. Eine halbe Wand der Ausstellung ist mit Illustrationen zu Geschichten von Thomas Mann behängt, die die Nebenfiguren in den Mittelpunkt rücken. Dr. Krokowski aus dem „Zauberberg“ findet sich dort ebenso wie Sesemi Weichbrod, die Übriggebliebene aus den „Buddenbrooks“. Mit resolutem Strich hat Gernhardt sie treffend charakterisiert. Auch Illustrationen zu Ringelnatz-Gedichten finden sich an dieser Wand.

In vielen Bildern kommt eine innere Ruhe des Künstlers zum Vorschein, deren Wirkung sein Leben überdauert hat: Ein Stuhl auf einer Terrasse, über den jemand ein Hemd geworfen hat. Und immer wieder Liebeserklärungen an Tiere, besonders Katzen, aber auch Hunde, Wiedehopfe und das ominöse Mondschwein.

Aber auch über Gernhardt selbst verrät die Ausstellung seiner letzten Bilder einiges. Man kann dem Dichter beim Lesen seiner Gedichte lauschen, ein Fernsehporträt über sein Leben in der Toskana ansehen und eine schon mitten während seiner Krankheit entstandene Bleistiftzeichnung ansehen: Im seichten Wasser stehen Menschen und Skelette, fassen sich ernst an den Händen und scheinen zu warten – nicht resigniert, eher geduldig ergeben in diese eigenartige Situation. Gernhardt starb im Juni 2006 nach schwerer Krankheit. Seine Gedichte und Bilder bleiben.Julia Bähr

Literaturhaus, Dienstag, 19 Uhr, Eröffnung mit Axel Hacke. Di - Fr 11-19 Uhr / Sa, So 10-18 Uhr

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