Hilfe, wo sind die Herztropfen?
Hier ist klar, wer die Hosen anhat. Veronika Jaruskova, die Primgeigerin mit der blonden Löwenmähne, mag zwar ein freundlich scheues Mädchenlächeln aufgesetzt haben. Aber ihr dynamischer Schritt, mit dem sie auf goldenen High Heels in den gut besetzten Herkulessaal stöckelt, verrät dann doch etwas anderes. Den ganzen Abend über bedarf es allenfalls eines Augenaufschlags, und schon schnurren ihre Kollegen vom Pavel Haas Quartett in der richtigen Spur.
Sicher, auch die werfen ihr Ego in den Ring, anders funktioniert kein wirklich aufregendes Concertare. Aber Jaruskovas subtiles, mit kühler Klarheit kalkulierendes Ziehen der Strippen führt eben zu einem staubkorngenauen, bis in die kleinsten Details ausponderierten, rhythmisch absolut mitreißenden Spiel.
Gleich im Moderato von Peter Tschaikowskys erstem Streichquartett senkt sich ein filigran gewobener Schleier, der zwischen zartem Aufleuchten und fahlem Verglimmen changiert. Überhaupt dieses Flüstern! Selbst im extremen Pianissimo vermag das Pavel Haas noch zu gestalten, messerscharf zu differenzieren. Erst recht dann im Fortissimo der finalen Allegro-Coda, die ganz ohne Kraftmeierei auskommt und doch die pure Energie mit all den Tanzfetzen in den Raum schleudert.
Debussys Opus 10 ist vielleicht keine Herzensangelegenheit des Quartetts, das Kreisen um ein wankendes Zentrum mag den Rhythmusvorstellungen der Vier im tiefsten Inneren zuwiderlaufen, aber aus den durchschatteten Liedandeutungen des Andantino blühen die betörendsten Farben. So, wie viel später beim zugegebenen Largo sostenuto aus Smetanas d-moll-Quartett, bei dem das Team mit all seinen Tugenden am besten aufgehoben ist.
Und Schubert? Verführerischer kann ein kaltes Grab nicht klingen, „Der Tod und das Mädchen” liefern sich ein perfides Getändel, radikal expressiv bis in die wilde Hatz der Prestissimo-Stretta. Ein Kino-Thriller ist nichts dagegen. Hilfe, wo sind die Herztropfen?!