Hier spielt der Intendant
Halbglatze und hervorquellender Bauch – wäre da nicht der unverkennbare bairische Akzent gewesen, man hätte Christian Stückl wohl kaum erkannt. Der Volkstheater-Intendant ist unter die Schauspieler gegangen. Notgedrungen.
Stefan Ruppe, einer seiner Hauptdarsteller in der „Dreigroschenoper”, plagt sich mit einer Stimmband- und Kehlkopfentzündung. Deshalb sprang Regisseur Stückl kurzerhand ein. Zum sechsten Mal gab er jetzt den Bettlerkönig Peachum. „Ich bin vor jeder Vorstellung sehr nervös”, sagt er. „Das ist auch noch nicht besser geworden.”
Am 3. Februar musste er sich entscheiden: Sollte er es wagen? Oder die Vorführung einfach absagen? Den ganzen Tag probte er. Und siehe da: es klappte. Vielleicht auch, weil die Rolle gut zu ihm passt.
Mit jeder Vorstellung stand da weniger der Stückl auf der Bühne. Und mehr der Peachum. Am Dienstag musste er nur noch bei zwei Musikstücken im Textbuch spicken, das zur Sicherheit mit dabei war. Er spielte und sang wie ein Vollprofi. Trotzdem beteuert der Interims-Schauspieler: „Ich bin froh, dass ich Regisseur bin.” Das mache ihm deutlich mehr Spaß.
Was den ein oder anderen im Publikum noch zweifeln ließ, ob da wirklich der als Kettenraucher bekannte Stückl mitwirkte: Peachum zündete sich während des ganzen Stücks nur eine einzige Zigarette an. „Theaterspielen und rauchen gemeinsam funktioniert nicht”, hat er festgestellt. Noch zwei Mal wird er einspringen, am 20. März ist dann voraussichtlich wieder Stefan Ruppe im Einsatz.
Dass der Intendant selbst auf der Bühne steht, scheint in München übrigens gerade eine Art Trend: Auch Dieter Dorn spielt bei seinem „Käthchen von Heilbronn” im Staatsschauspiel mit.
Julia Lenders