„Hetzjagd auf Hartz-IV-Empfänger“

Arbeitslosenverbände üben scharfe Kritik an der neuen Sat1-Reihe „Gnadenlos gerecht - Sozialfahnder ermitteln". Die Befürchtung: Erwerbslose werden mit Hartz-IV- Betrügern gleichgesetzt.
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Arbeitslosenverbände üben scharfe Kritik an der neuen Sat1-Reihe „Gnadenlos gerecht - Sozialfahnder ermitteln". Die Befürchtung: Erwerbslose werden mit Hartz-IV- Betrügern gleichgesetzt.

RTL hat mit „Raus aus den Schulden“ vorgemacht, wie man mit Sozial-Dokus fette Quote machen kann. Weil Sat1 da nicht zurückstehen möchte, startet der Sender heute sein eigenes Format – und hat dafür schon jetzt heftige Kritik einstecken müssen. Denn nicht in Not Geratenen wird in „Gnadenlos gerecht – Sozialfahnder ermitteln“ geholfen. Die Sozialarbeiter Helena Fürst und Helge Hofmeister statten Arbeitslosen ihren Besuch ab, um nachzuschauen, ob die den Staat nicht zu Unrecht abkassieren.

„Da soll Stimmung gegen Arbeitslose gemacht werden“

„Das ist eine öffentliche Hetzjagd auf Hartz-IV-Empfänger, eine regelrechte Kampagne gegen Erwerbslose“, sagt Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum Deutschland der AZ. Und auch der Förderverein gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit kritisiert das Format über „Hartz-IV–Betrüger“. „Da soll Stimmung gegen Arbeitslose gemacht werden“, sagt Referentin Angelika Klahr.

Ein Kamerateam begleitet in vier Folgen die Sozialamtsmitarbeiter im hessischen Offenbach. Fürst und Hofmeister dürften einigen Sat1-Zuschauern bekannt vorkommen, im Sat1-Frühstücksfernsehen und „24 Stunden“ waren sie schon dabei. Fürst hat es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht, weil sie die Fälle von „Mallorca-Karin“ und „Ebay-Hans“ aufdeckte. „Karin kassierte in Deutschland Geld und vermietete gleichzeitig ihre beiden Eigentumswohnungen auf der spanischen Insel, Hans hingegen stellte die vom Sozialamt bewilligten Gegenstände gleich mal ins Internet, um damit sein Hartz-IV-Salär aufzubessern“, fasst Sat1 zusammen.

Einzelfälle würden hier mit der Mehrheit der Arbeitslosen gleichgesetzt, befürchtet Behrsing vom Arbeitslosenverband. Sat1 betont dagegen, die Sendung berichte „in ausgewogener Form über die gesellschaftliche Realität“. Sat1-Sprecherin Kristina Faßler: „Eine solche Darstellung muss die Gesellschaft aushalten können.“

Durch die Ermittlungen sparten die öffentlichen Kassen allein im Kreis Offenbach im vergangenen Jahr circa 750000 Euro, sagt Sozialfahnderin Fürst. Konkrete Zahlen hat die Bundesagentur für Arbeit nicht, erklärt aber, dass bei Betrügereien ein leichter Rückgang zu verzeichnen sei.

"Mit dem Elend der Menschen soll Quote gemacht werden"

Meist würde man nicht durch Ermittler, sondern über konkrete Hinweise, etwa von Nachbarn, aufmerksam, sagt Sprecher Ralf Geratz-Krams. Aber nicht nur Betrügern soll in der Reihe das Handwerk gelegt werden, heißt es beim Sender, der ungewöhnlicher Weise keine Vorab-DVDs verschickt. „Helena und Helge sehen sich auch als die Stimme der Ehrlichen.“

„Besonders nahe gehen uns viele menschliche Schicksale, am traurigsten war ein Fall, in dem eine frisch getrennte Mutter mit ihren kleinen Kindern auf einer Matratze, in einer sonst komplett leeren Wohnung, schlief“, sagt Fürst. Die Vorsitzende des Arbeitslosenverbands Deutschland, Marion Drögsler, wirft Sat1 vor, „mit dem Elend der Menschen Einschaltquoten hoch treiben“ zu wollen. Die Etikettierung als „Hartz-IV-Betrüger“ sei zudem eine Verunglimpfung und Kriminalisierung von Arbeitslosen. Nicht zu sehen seien Fälle, in denen Arbeitslose über Praktika kostenlos arbeiteten und damit „böse ausgebeutet“ würden. „Die Sendung passt gut in den bevorstehenden Wahlkampf“, so Drögsler. Sie befördere die Meinung, dass eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze nicht erforderlich wäre. aka

„Gnadenlos gerecht“, mittwochs um 21.15 Uhr auf Sat1

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