Interview

"Herrhausen - der Herr des Geldes": Oliver Masucci im Interview

Oliver Masucci über seine herausfordernde Titelrolle in "Herrhausen - der Herr des Geldes" und den Umgang mit Verschwörungstheorien
von  Florian Koch
Oliver Masucci als Alfred Herrhausen und Julia Koschitz als seine Frau Traudl.
Oliver Masucci als Alfred Herrhausen und Julia Koschitz als seine Frau Traudl. © picture alliance/dpa/Sperl Film/swr/hr/rbb/ARD Degeto

Komplexe Politthriller haben im deutschen Fernsehen Seltenheitswert. Das bedauert auch Oliver Masucci, der im ARD-Zweiteiler "Herrhausen - der Herr des Geldes" in die Rolle des einflussreichen, 1989 ermordeten Deutsche-Bank-Chefs schlüpft. Der akribisch recherchierte, glänzend besetzte und von Pia Strietmann zupackend inszenierte, mit dem Bernd-Burgemeister-Preis auf dem Filmfest München ausgezeichnete Mehrteiler schildert die letzten Jahre im Leben des visionären wie umstrittenen Wirtschafts-Experten Alfred Herrhausen.

AZ: Herr Masucci, nach Fassbinder verkörpern Sie nun wieder eine schillernde Persönlichkeit. Wie haben Sie sich diesem Alfred Herrhausen angenähert?

OLIVER MASUCCI: Ich mache das rein assoziativ. Gereizt hat mich an Herrhausen in erster Linie, dass er mir selbst ganz entgegengesetzt ist. Ich übe den Beruf des Schauspielers aus, um zu träumen, die Perspektive zu wechseln und Dinge zu tun, die ich sonst nicht tue.

Was hat dieser Herrhausen, was Sie an einem Perspektivwechsel gereizt hat?

In dieser ganz eigenen Form von Konservatismus war Herrhausen ein Vordenker, ja geradezu revolutionär. Vor Herrhausens Mut zur Veränderung und seinen klaren Analysen habe ich eine Hochachtung.

Gibt es doch noch Parallelen zu Ihnen, die sich im Lauf der Beschäftigung mit der Person herausgeschält haben?

Was mich mit ihm verbindet, ist die Auseinandersetzung mit Menschen, die Dinge nur so umsetzen, wie es eben immer schon war. Diese Bremse wollte Herrhausen endlich loslassen. Es konnte ihm nicht schnell genug gehen. Ungeduld kann ich sehr gut nachvollziehen. Andererseits bin ich auch ein Mensch, der frei heraus sagt, was er denkt. Herrhausens Zurückhaltung war für mich manchmal schwer erträglich, aber auch lehrreich.

Auf dem Weg ins Investmentbanking: Vorstandssprecher Herrhausen (Oliver Masucci, Mitte) mit den Bankvorständen Burgard (Peter Benedict, links) und Kopper (Shenja Lacher, rechts).
Auf dem Weg ins Investmentbanking: Vorstandssprecher Herrhausen (Oliver Masucci, Mitte) mit den Bankvorständen Burgard (Peter Benedict, links) und Kopper (Shenja Lacher, rechts). © ARD Degeto/rbb/hr/swr/Sperl Film

Was zeichnete den Menschen Herrhausen aus?

Dass da jemand ist, der haarscharf analysiert. Und abschließend dazu aufruft, die richtigen Schlüsse aus der Analyse zu ziehen. Er war keiner, der nur in Vier-Jahres-Rhythmen dachte, sondern wie Nietzsche es einmal formulierte, ein Baumeister, der über Jahrzehnte in gesellschaftlichen Entwicklungen nachgedacht hat - auch Umweltthemen betreffend. Herrhausen war nicht nur ein großer Ökonom, sondern ein Vordenker. Und wenn man mit Bankvorständen heute spricht, spürt man noch viel Bewunderung für diesen Humanisten, der über sich selbst hinausdenkt. Herrhausen war kein Profitgeier. Was man leider nicht von jedem Bankier sagen kann.

Hatten Sie mit Traudl Herrhausen, der Witwe von Alfred Herrhausen, Kontakt?

Nein, ich habe diesen Zugang auch schon bei Fassbinder eher abgelehnt. Damals kamen so viele auf mich zu und behaupteten, sie hätten ihn am besten gekannt. Mir ging diese versuchte Einflussnahme immer auf den Keks, weil ich mir lieber selber ein Bild machen wollte. In unserem Fall, auch wegen ihrer negativen Erfahrungen mit dem Dokumentarfilm "Black Box BRD", wollte Traudl Herrhausen nicht involviert sein.

Die filmische Biografie konzentriert sich lediglich auf die Zeitspanne 1986 bis 1989. Warum?

Natürlich gibt Herrhausens Figur mehr her, aber das hätte dann auch den filmischen Rahmen gesprengt. Ursprünglich waren sogar zehn Teile geplant. Da hätte man noch viele Aspekte in seiner Biografie vertiefen können, wie Herrhausens Beteiligung am Fall der Mauer.

Ein erschreckendes wie ikonisches Bild, dass man bis heute mit Herrhausen verbindet, ist das des ausgebrannten Autowracks.

Ja, man kennt dieses Bild, ich kann es nicht vergessen. Im Zuge der Dreharbeiten habe ich Menschen getroffen, die damals ein paar 100 Meter entfernt in der Schule waren, als sie den Knall der Explosion hörten. Die These, die der Film aufstellt, ist, dass es die RAF so ganz allein nicht gewesen sein kann. Der Raum für Spekulationen ist da, weil es bis heute keinen identifizierten Täter gibt, der Mord nicht aufgeklärt ist.

Der Schauspieler Oliver Masucci.
Der Schauspieler Oliver Masucci. © picture alliance/dpa

Wie weit geht man, um nicht spekulative Verschwörungstheorien zu bedienen?

Wir beschränken uns darauf, wer alles Interesse an einem Tod von Herrhausen gehabt haben könnte. Und diese Interessen waren vielfältig, weil er sich viele Feinde gemacht hat.

Mit was ist Herrhausen besonders angeeckt?

Mit dem Schuldenerlass in der sogenannten Dritten Welt. Vom Turbokapitalismus geprägte und in Südamerika stark engagierte amerikanische Banken, waren total dagegen. Herrhausen aber sah, dass die Wirtschaft nicht wachsen kann, wenn man nur mit Rückzahlungen beschäftigt ist. Auch seine Kredite in den Ostblock werden dem KGB und auch der Stasi nicht besonders gefallen haben. Eine Bombe desselben Typs, die Herrhausen getötet hat, wurde zuvor im Libanon eingesetzt. Die RAF war gar nicht in der Lage, so eine Bombe zu bauen.

Der Film zeigt auch einige Albtraum-Sequenzen von Herrhausen. Fürchtete er den Tod?

Herrhausen war der bestgeschützte Mann seiner Zeit. Besser als der Bundeskanzler. Und dennoch: Er hinterließ einen Brief für den Fall seiner Entführung, damit man bitte nicht auf etwaige Forderungen eingeht. Das macht doch klar, dass Herrhausen auch von Ängsten durchdrungen war, aber sich nicht hat von ihnen bestimmen lassen. Es gab auch eine Drehbuchfassung, die seinen inneren Konflikt, ständig weg von zu Hause zu sein, deutlicher herausarbeitet. Für mich war das, und wir sind nun im Reich der Spekulation, aber nicht glaubwürdig. Die Herrhausens waren ein Paar, dass es ansprechend oder zumindest selbstverständlich fand, so exponiert zu sein. Bei ihnen stand eher die Frage im Raum: Wie weit wollen wir gehen? Und was ist der Preis? Das ist für mich auch die spannendere Frage.

Der Stil von "Herrhausen" erinnert im positiven Sinne an Politthriller der 70er Jahre.

Das hat mir an dem Projekt auch so gut gefallen. Ich liebe Filme wie "Der Schakal". Ein wunderbares Genre, das so gar nicht mehr existiert, vielleicht auch aus Angst vor dem Begriff Verschwörungstheorien. Dabei gibt es sie doch auch, die Desinformationskampagnen. Außerdem bieten mögliche Verschwörungen nun mal ein hohes Maß an Potenzial für spannende fiktionale Stoffe.

ARD, 1. und 2. Oktober und in der Mediathek

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