Heroisches Hüpfen
Viktorianische Sehnsuchtsbilder: Die Villa Stuck in der Prinzregentenstraße zeigt Gemälde und Zeichnungen von Frederic, Lord Leighton
Flaming June“, der „flammende Juni“, hält Wort: Das Gemälde einer Schlafenden im orangefarbenen Kleid vor dem im Sonnenlicht gleißenden Meer und blühenden Oleander bietet ein feuriges Leuchten. Der Leib der Frau füllt fast die ganze Bildfläche, ihre pittoresk, aber unbequem wirkende Haltung erinnert an die Liebende in Klimts später gemaltem „Kuss“.
Es ist ein eher keusches Sehnsuchtsbild für den viktorianischen Adel, auch wenn der weibliche Körper sich unter dem transparenten Stoff abzeichnet und eine Brust entblößt ist. Frederic, Lord Leighton (1830-1896), der einzige geadelte britische Künstler, schuf das Gemälde ein Jahr vor seinem Tod. Und es ist typisch für dessen seltsam asexuelle Kunst, die mehr auf Ästhetik als auf Erotik setzt. Jetzt präsentiert die Villa Stuck 39 Gemälde, drei Skulpturen und 60 Zeichnungen Leightons, dessen delikate Überhöhung Stucks schalkhafter Frivolität unendlich fern ist und doch, nicht nur zeitlich, nah liegt: Etwa, was die klassizistischen Rahmen-Architekturen angeht.
Bilder eines Dandys
Man muss sich auf diese Bilder einlassen und mehr erfahren wollen über ihren exzentrischen Schöpfer, den unverheiratet gebliebenen Lebemann Leighton, ein vielgereister Kosmopolit und Künstler-Dandy von großem Selbstbewusstsein. Sein aufwändiges Domizil im feinen Kensington wurde nicht nur Zentrum des Künstlerviertels, sondern – u.a. mit arabischem Kuppelsaal – eine Sehenswürdigkeit.
Wegen der Krankheit der Mutter reiste die Familie durch Europa – ohne Geldsorgen, da der Großvater als Arzt des Zaren ein ausreichendes Vermögen hinterlassen hatte. Und so lernte Leighton auch schon als Jugendlicher in Rom, Florenz und Frankfurt Malen und Zeichnen.
Zerklüftete Wolken
Zunächst bleibt seine doch recht akademisch wirkende, penibelst komponierte Malerei fremd, bei der die Opulenz der Augenreize und das Understatement des Inhalts, der nur oberflächlich mythologisch aufgeladen wird, in merkwürdigem Widerspruch stehen. Man findet Heroinen wie Klytämnestra und Desdemona ebenso wie hüpfende Mädchen vor heroischer Landschaft, etwa „Greek Girls playing Ball“ (1889): Wie Statuen in hellenistischer Drehung, aber eben erstaunlich statisch vor grandioser Küstenlandschaft. Heftig erregt sind hier nur die zerklüfteten Wolken am Himmel. Und die wahnwitzig gefältelten und gebauschten Gewänder führen ein Eigenleben und werden zum Ausdrucksträger. Ein Bild, das keine Geschichte erzählt, sondern das Atmosphärische virtuos im Ungegenständlichen verdichtet. Ebenso wie die Darstellung der Klytia, Ex-Geliebte des Sonnengotts Apoll: Eine Naturkulisse im Schatten der untergegangenen Sonne, darin winzig am Rand die unglückliche Klytia. Und eine glühende Seelenlandschaft, deren Suggestivkraft ihresgleichen sucht.
Roberta De Righi
Bis 13. September, Di – So, 11 bis 18 Uhr, Katalog 24.90 Euro