Hermes: Sozial reden und hart ausbeuten

Die fünfteilige „ARD-exclusiv”-Reihe startet mit armen Götterboten, die für Dumping-Löhne zu Diensten sind
Wilfried Geldner |
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Unbequem sein, irritieren, provozieren” wie die Politmagazine der ARD will auch die Sonderreihe „ARD-exclusiv”, die keine Sommerpause kennt. Einst 1993 gemächlich als Reportagereihe gestartet, die die Kunst des Erzählens wiederbeleben sollte, widmet man sich inzwischen längst härteren Themen und legt den Finger in Gesellschaftswunden wie Lohn-Dumping, Kinderausbeutung in der Dritten Welt beim Kaffeepflücken oder Hungergefühle mitten in deutschen Städten („Hungrig – Essen aus dem Müll”).

Dass dabei mitunter Recherchen aus den „Monitor”- und „Panorama”-Magazinen zweitverwertet werden, tut der Brisanz der Reihe keinen Abbruch. Einstweilige Verfügungen von kritisch Porträtierten bestätigen das. „Ausbeutung mit Langzeitfolgen” nannte die „Monitor”-Moderatorin Sonia Seymour Mikich, was nun die erste von fünf „exclusiv”-Ausgaben aufs Tapet bringt: „Das Hermes-Prinzip” beleuchtet einen „Milliardär und seine Götterboten”.

Es geht um postunabhängige Paketzusteller, die für wenige Cent pro Auftrag für Sub- und wiederum Subsubunternehmer großer Zustellerfirmen arbeiten, während sich die bekannte Großfirma Hermes mit schönen Imagefilmen schmückt und selbst bei Untersuchungen des Staatsanwalts im Falle von Schwarzarbeit auf „unabhängige” Subunternehmen verweisen kann.

Peter, so heißt der Paketbote im Film, ist einer von 10000 Zustellern, die für 60 Cent und weniger pro Päckchen schuften. Bei einem Zehnstundentag sind damit etwa 60 Euro verdient. Fahrzeug- und Benzinkosten gehen auf eigene Rechnung, sodass kaum etwas übrig bleibt. Peter arbeitet wohl gemerkt für, aber nicht bei der Firma Hermes GmbH mit Sitz in Hamburg. Er schuftet auf eigenes Risiko und wird für jedes einzelne Paket bezahlt. Knebelverträge verpflichten ihn dazu, so die „ARD-exclusiv”-Reportage, jeden Kunden viermal bis zum Liefererfolg zu besuchen. Im Falle einer Falschlieferung drohen dem Paketboten Strafabzüge bis zu 100 Euro.

Indessen wird Michael Otto, Mehrheitsaktionär und langjähriger Vorstandsvorsitzender der Otto Group, der zu 100 Prozent Hermes zugehört, hoch gelobt. Für seine „gesamtgesellschaftliche Verantwortung” bekam er sogar das Bundesverdienstkreuz mit Stern.

Die Reporter Monika Wagner und Ralph Hötte (Grimmepreis für „Aufdeckung des bezahlten Lobbyismus in Bundesministerien”) recherchierten in einer Szene, in der Lohndumping eine ganz besondere Form annimmt und als „branchenüblich” bezeichnet wird. Michael Otto und Hermes sprechen von einem „erfolgreichen System”, es gebe unter den Subunternehmern einfach nur einige schwarze Schafe. Die ARD-Reportage vom WDR will den Gegenbeweis liefern.

Nicht weniger brisant sind die weiteren Themen der Reihe. Es geht um Online-Kriminalität im großen Stil (7. August, 13.15 Uhr), um „Schröder, Fischer und die Lobbyisten” (17. August, 21.45 Uhr), um Arbeitslosigkeit im fortgeschrittenen Alter (24. August, 21.45 Uhr) sowie um das (Geflügel-)System Wiesenhof (31. August, 21.45 Uhr). Mit einstweiligen Verfügungen ist da beinahe zu rechnen.

Heute, mittwochs um 21.45 Uhr, ARD

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