Hartes Metall für den Onkel aus N.Y.

Das ist der Wahnsinn: Lou Reed und Metallica und ihre gemeinsame Doppel-CD "Lulu"
von  Christian Jooß

Das ist Wahnsinn: Lou Reed und Metallica und ihre gemeinsame Doppel-CD „Lulu“

Man möchte dieser Tage kein Metallica-Fan sein. Die Nachricht, dass Lou Reed und die Metaller ein gemeinsames Album machen, war schon surreal genug. Jetzt liegt es vor: „Lulu“.
Ursprünglich wollte Reed mit der Band alte Stücke neu aufnehmen, dann disponierte er um und schickte Metallica Material, das er für Robert Wilsons Inszenierung von Wedekinds „Lulu“ geschrieben hatte. Man sieht vor sich, wie die Männer in Kalifornien vor Freude in die Luft sprangen, bei der Vorstellung, sich mal mit der sexualpoetischen Befreiung der europäischen Bel-Epoque zu beschäftigen.

Die wilden Rocker sind längst Klischee

Man darf in diesen Tagen aber durchaus Lou-Reed-Fan sein. Denn als solcher hat man keine Angst vor musikalischen Grenzerfahrungen, die sich anfühlen, als würde man mit einem alten Auto, über ein Meer von Nägeln fahren.

Musikalisch hat Reed das Feld für sich entschieden. Klar versuchen die Gitarren, ein Riff zu ballern, und das Schlagzeug trampelt mit elefantösem Gleichmut mit. Allein: Der Onkel aus New York hat erstens kein Metalorgan und zweitens die Fähigkeit, selbst seine metrisch recht angenehm einfach zu lesenden Texte so umzusetzen, als wär’s eine Spoken-Word-Performance mit Gesangsanteilen. Die wilden Rocker dagegen sind längst Klischee: Metallica sind eine hart arbeitende Studioband. Und – hier wird es schön: Sie mussten sich einer griesgrämigen Kultfigur aussetzen, die noch nie einen Deut auf Perfektion gegeben hat. Hat man das erkannt, beginnt die Platte streckenweise zu gefallen.

Dauerreibung bis zur Auslaugung

Metallica sind keine Band, die in der Lage wäre, aus dem Stand eine musikalische Stimmung zu improvisieren und waren noch nie so hölzern lärmend. Die beständig schiefe Konstruktion, taugt, um das triebgesteuerte, missbrauchte, missbrauchende Wesen Lulu zu beschreiben. Die ist auf dem Cover eine Puppe – natürlich. Eine, der man die Gliedmaßen anschrauben oder herausdrehen kann. Und Reed wirft sie in einem Akt von amerikanischer Kulturreligiosität hinein in dieses Berlin. Eröffnet das Album mit einem gigantischen Name-dropping: Boris Karloff, Kinski, Nosferatu, Doctor Moreau und Peter Lorre. Für erstere, singt Reed in der Rolle der Lulu, würde sie sich glatt „legs and tits“ abschneiden.

Bei Reed wie Wedekind natürlich nicht entkräftet ist damit das Problem, was immer dann aufscheint, wenn reife Männer sich in die Sex-Gewalt-Phantasien von jungen Dingern hineinfiebern. Und Reed spart hier nicht. „Mistress Dread“ steigert sich in schwitzige Sadomaso-Beschreibungen und – „Little Dog“ – kleine Hunde hält man sich hier auch hauptsächlich wegen der flinken Zungen. Und wenn man sich das in seiner ganzen Blut-Sperma-Ästhetik so vorstellt, gibt es plötzlich eine starke Verbindung zwischen „Lulu“ und dem pubertierenden Ursprung des Metal mit all seiner Gewaltikonografie.
Schlecht ist dieses Album nicht, dafür ist zuviel Dauerreibung, die einen in die Assoziationsmaschine zwingt. Das aber ist über zwei Album-Seiten auslaugend.

Lou Reed & Metallica: Lulu (Universal)

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