Hans Söllner, der herzliche Anarchist
Wut, Joints, Liebe und der notwendige Kampf um Freiheit: Hans Söllners neues Album „SoSoSo“.
Eine Kirmesorgel pfeift uns die Meinung: Man muss sie alle bescheißen, die Schwarzen und die Weißen, wenn’s ins Gras beißen, wenn’s auf’d Straß’ scheißen, wenn’s die Blumen ausreißen... Die Stimmfräse lässt die Späne fliegen. „SoSoSo“ heißt das neue Album von Hans Söllner, der, gar nicht lange her, mit „Mei Zuastand“ alte, oft finstere Songs der Karriere neu gefasst hat.
Für alle, die denken, die Wut des Wilden wäre einer reifen Milde gewichen, entsichert sich hier der Söllner Hans auf eine neue, wüste Weise. „Hoach zua!“ springt er dem Hörer ins Gesicht. Gleich im Titelsong hört man, was man von einem Dylan-Song wie „Subterranean Homesick Blues“ lernen kann, ohne ihn zu imitieren. Einer Gesellschaft, die ihre moralische Basis für irgendwelchen Krempel drangegeben hat, kommt allenfalls einer bei, der ihr als poetischer Seher ohne Angst vor dem Absurden Sätze entgegenspuckt.
Söllner ist kein Liedermacher, der, wenn er alleine mit seiner Gitarre dasitzt, in sich zusammenfällt wie ein Hefeteig. „Ihr seids alle gleich“ ist minimal instrumentiert eine sechsminütige Abrechnung mit der Berufsidee „Politiker“. Eine Beschimpfungswucht ohne deutsches Beispiel. Und gerade durch das ausufernd metastatische dieser Performance stellt Söllner im Kern die Fragen, die richtig wehtun: Liegt es nicht in der Natur der Sache, dass ein Volksvertreter vergisst, dass seine Macht vom Volk legitimiert wird? Und hat einer, der im Kern seines Wesens nach Macht strebt, nicht zwangsläufig ein Charakterdefizit?
Wenn Restwürde zu Wut klumpt
Als Fortsetzung funktioniert „Durch eia Politik“ – hier spricht die Stimme derer, denen man die Birne weichgekocht hat, bis ihre Restwürde zur Wut klumpt. Die Lebensidee dieses Sängers ist die Freiheit, der nahezu jede Autorität in ihrer Machtdeformiertheit entgegenstehen muss. In „Der Rudi“ stürmt die Band aus Peter Pichler, Stephan Hofer und Manfred Pucher die Barrikaden. Da wird einer gejagt, der nur einkaufen wollte – als habe Söllner die jüngsten Diskussionen über eskalierende Polizeigewalt geahnt.
Klar – „Ganja“ – fordert Söllner, zum wohlig schnaufenden Reggaebeat das Recht, sich seine Joints zu bauen. Saukomisch der Moment, in dem in Abwandlung des Brandner Kaspars der Tod anklopft. Naja, bis heute sitzt der Typ auf Söllners Couch und überlegt, was er eigentlich wollte. „Wia de do drent“, „Die Liebe“ – Söllner ist keiner, der sich über die Sauerei in den Vorgärten der Nachbarn aufregt, weil das Leben sich immer in der Keimzelle in der eigenen Beziehung findet und man diese täglich hegen muss.
Ganz unberührt von Geschlechterkorrektheit darf dieses Album allerdings mit dem versautesten Söllner-Song seiner Karriere, „Allgäuer Mädel“, enden. Abseits der amerikanischen Songwritertradition, trägt er immer noch das holzgeschnitzte Gesicht des größten bayerischen Volkssängers in unseren Tagen.
Hans Söllner:„SoSoSo“(Trikont)
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