Hanns Zischler: Philosophie in der Pause

Hanns Zischler spielt am Sonntag im BR-„Tatort“ einen Verdächtigen und ermittelt am Montag im ZDF selbst als Kommissar: Er verkörpert in der Friedrich-Ani-Verfilmung "Todsünde" einen ehemaligen Mönch
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Im ZDF-Thriller „Todsünde“ sind die junge Kommissarin Liz Sinkel (Lisa Maria Potthoff, li.) und ihr erfahrener Vorgesetzte Polonius Fischer (Hanns Zischler) ein ungleiches Gespann.
az 2 Im ZDF-Thriller „Todsünde“ sind die junge Kommissarin Liz Sinkel (Lisa Maria Potthoff, li.) und ihr erfahrener Vorgesetzte Polonius Fischer (Hanns Zischler) ein ungleiches Gespann.
In BR-„Tatort“ werden die Ärzte Frey (Hanns Zischler, 2. v. li.) und Jahnn (Joachim Król, 2. v. re.) von den Hauptkommissaren Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, li.) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) befragt.
BR 2 In BR-„Tatort“ werden die Ärzte Frey (Hanns Zischler, 2. v. li.) und Jahnn (Joachim Król, 2. v. re.) von den Hauptkommissaren Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, li.) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) befragt.

Hanns Zischler spielt am Sonntag im BR-„Tatort“ einen Verdächtigen und ermittelt am Montag im ZDF selbst als Kommissar: Er verkörpert in der Friedrich-Ani-Verfilmung "Todsünde" einen ehemaligen Mönch

In der Friedrich-Ani-Verfilmung „Todsünde“ (nach dem Roman „Idylle der Hyänen“) spielt Hanns Zischler am Montag einen melancholischen Kommissar und Ex-Mönch, der es mit gleich mehreren Suizidgefährdeten und deren „Helfern“ zu tun bekommt. Vorher gerät er am Sonntag im BR-Tatort „Häschen in der Grube“ aber erst einmal selbst unter Verdacht.

AZ: Herr Zischler, im Kino sind Sie gerade in „Im Winter ein Jahr“ zu sehen, haben aber auch keine Berührungsängste dem TV gegenüber.

HANNS ZISCHLER: Man kann es sich gar nicht leisten, viel abzulehnen. Dann muss es schon absoluter Blödsinn oder ehrenrührig sein.

Man nimmt eine Nebenrolle im BR-„Tatort“ also allein deshalb an, weil sie einem angeboten wird?

Meine Rolle in „Häschen in der Grube“ fand ich ziemlich interessant. Ich spiele einen Arzt, der an Kindern Tests macht – eine richtige Sauerei. Diese Rolle verweist auf ein generelles Problem, nämlich die Haltung zu sagen: „Warum nicht“. Genau dieses „Warum nicht“ ist immer der Stein des Anstoßes. Die Bereitschaft, auch mal eine kleine Sauerei zu machen, wird bei uns als Kavaliersdelikt behandelt.

Am Montag ermitteln Sie als Polonius Fischer im ZDF-Thriller „Todsünde“. Früher war der einmal ein Mönch...

Ja, aber dieser religiöse Hintergrund ist gar nicht sehr präsent, bewirkt allenfalls eine gewisse Nachdenklichkeit.

Die seine Kollegen mächtig fordert – Fischer liest in der Mittagspause philosophische Texte vor. Ist das nicht ein bisschen zu viel?

Nachdenklichkeit oder religiöse Grundstimmung, wenn Sie sie so nennen wollen, berührensich heute mit dem Alltag sehr selten. Man könnte hier fast von einem Tabu sprechen, das Polonius Fischer bricht. Deshalb verwundert er vielleicht auch die Leute.

Auch wie München in dem Film dargestellt wird, könnte manchen verwundern, oder?

Ein glamouröses München wird von seiner ärmeren Seite gezeigt. Das finde ich, ehrlich gesagt, sehr verdienstvoll. Es ist in Ordnung, dass in der Residenzstadt München eine Rokoko-Gesellschaft lebt, wie Christoph Stölzl vor vielen Jahren einmal gesagt hat; doch auch die Armut hat ein eigenes Gesicht. Und das ist genauso sehenswert.

Beschäftigt Sie die Frage, wie die Zuschauer den Film annehmen werden?

Nein.

Warum nicht?

Ich habe überhaupt kein Verhältnis zu den Zuschauern, kenne sie nicht. Außerdem sind Rezeptionen gerade im Bereich Fernsehen von unglaublich vielen Zufällen abhängig: Was läuft noch an dem Tag? Wie ist die Grundstimmung der Zuschauer? Ist sie ängstlich oder skeptisch?

Müsste man dann nicht auf leichte Unterhaltung setzen?

Die Nazis haben, als der Krieg immer schlimmer wurde, nur noch Unterhaltung gemacht. Ich glaube nicht, dass man das so steuern kann.

Würden Sie bei der „Todsünde“ einschalten?

Sie dürfen mich nicht als durchschnittlichen Fernsehzuschauer betrachten. Leute wie ich, die in diesem Bereich arbeiten, sind eine winzige Minderheit. Deshalb sollte man uns auch nie als „diejenige, welche“ betrachten.

Dann dürfte sich aber auch ein Marcel Reich-Ranicki nicht beklagen, oder?

Der ist ein Poltergeist, der auf sich aufmerksam machen will und – vielleicht mit seltsamen Mitteln – auf eine Seichtheit hinweist, die es beim Fernsehen auch gibt. Das Problem aber ist gar nicht sein Auftritt, sondern das Pauschalurteil, das er abgegeben hat. Natürlich würde es einer Überprüfung der Programmwirklichkeit nicht standhalten. Wir haben grauenhafte Sendungen, gleichzeitig aber auch ein sehr qualifiziertes Fernsehen.

Schauspiel scheint Ihnen aber nicht genug, Sie sind auch Übersetzer, Dramaturg, Essayist und neuerdings Ausstellungsmacher.

Ich zeige in Marbach am Neckar Zettel mit Wegbeschreibungen. Das ist eine Form der verschrifteten Orientierung, die es heute eigentlich schon gar nicht mehr gibt. Alle orientieren sich über ihr Handy oder Navi. Fragen Sie mal jemanden nach dem Weg. Sie werden selten jemanden treffen, der ihn weiß und dann auch noch beschreiben kann.

Weil wir nur noch mit dem Auto unterwegs sind?

Ich bin kein Autofahrer. Denn ich glaube, dass man im Auto eine außerordentlich beschränkte, um nicht zu sagen, bescheuerte Wahrnehmung der auswärtigen Realität hat. Das Auto ist ein verkapselter Immunkörper. Ich gehöre da zu der spleenigen Minderheit, die den privaten Automobilismus zu der schlimmsten technologischen Sackgasse rechnet neben der Atomenergie. Ich bin fürs Zufußgehen, Fahrradfahren und öffentliche Verkehrsmittel.

Angelika Kahl

Den BR-Tatort „Häschen in der Grube“ zeigt das Erste am Sonntag um 20.15 Uhr;

In „Todsünde“ ermittelt Hanns Zischler am Montag um 20.15 Uhr im ZDF

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