Gutes tun im Mikrokosmos
Der Kabarettist über Schwule in der Kunst, Tabus und den Sinn einer Aids-Gala, die er am Samstag im Gärtnerplatztheater moderiert.
Das Staatstheater am Gärtnerplatz lädt zur 2. Aids-Tanz-Gala zugunsten der Aids-Hilfe. Moderiert wird der Abend von Christoph Marti, Mitgründer der Musik-Kabarett-Gruppe Geschwister Pfister.
AZ: Herr Marti, wieviel Satire steckt im Tanztheater?
CHRISTOPH MARTI: Das kann ich nicht sagen, ich bin kein Tanz-Experte. Ich fühle mich aber geehrt, hier mitmachen zu können. Tanz ist für mich etwas, das ich gerne gemacht hätte, aber nicht durfte.
Woran scheiterte es?
Meine Eltern fanden, das geht für einen Jungen nicht.
Tanz ist eine Traumwelt. Das ist doch – auch – komisch.
Das kann man so oder so sehen. Oft hörte ich von Regisseuren: „Theater ist eine moralische Anstalt.“ Ich hielt vor allem das Leben für eine moralische Anstalt – und Theater für eine Art Weihnachtsmärchen für Erwachsene.
Auch heute noch?
Heute gibt es andere Ansätze, auch im Tanztheater: Mutige Leute, die Aufführungen machen, die sich nicht nur auf Fantasien stützen, sondern die mit Realität umgehen.
Wenn das Theater moralische Anstalt für den Geist sein soll, könnte doch der Tanz das gleiche für den Körper sein?
Das würde ich so sehen. Allerdings: Wem es an Moral fehlt, geht sowieso nicht ins Theater. Es sind ja fast nur noch die Gutmenschen, die sich abends vom Fernseher wegbewegen. Oder ist das zu skeptisch?
Nichts gegen Kulturpessimismus!
Sehr gut. Die Leute sitzen nunmal am liebsten zu Hause und gucken „Frauentausch“ auf RTL 2!
Sie dürfen vielleicht nicht so schnell von Berlin auf München schließen.
Doch, bitte, zitieren Sie mich genau so! Meine Befürchtung ist, dass nur die Leute kommen, die es sich leisten können, einen guten Zweck zu unterstützen. Aber der Anlass hat sich noch lange nicht erledigt: Leider nimmt die Aids-Aufklärung wieder ab und die Infektionszahl zu.
Beim Thema Aids-Gala und Tanztheater drängt es sich auf, über das Schwule in der Kunst zu reden, oder?
Das Thema ist immer aktuell. Manche gehen davon aus, dass im Ballett die Hälfte der Tänzer schwul ist. Schwule fühlen sich eher zu kreativen Berufen hingezogen.
Aber ist das noch ein Tabu?
Schwer zu sagen. Ich umgebe mich in Berlin fast nur mit Leuten, die völlig aufgeklärt sind. Mit denen muss ich darüber nicht reden. Aber das heißt nicht viel. Wenn ich mich in einer sogenannten No-Go-Area in Berlin mit meinem Freund auf der Straße küsse, muss ich damit rechnen, dass mir jemand 18 Mal den Unterkiefer bricht. So ein Fall ist gerade wieder real passiert.
Ohne das verharmlosen zu wollen – vor nicht allzu langer Zeit war die ganze Welt No-Go-Area für Schwule…
Keine Frage, es gibt große Fortschritte! Aber ich traue der Sache nicht. Auch bei der Frauen-Emanzipation: Die Gesellschaft wird wohl nie an den Punkt kommen, wo man sagen kann: Jetzt ist es gut.
Wieder Kulturpessimismus.
Nein, das ist die menschliche Natur. Man kann nur immer wieder versuchen, im eigenen Kreis möglichst aufrecht zu gehen. Es ist eine Frage von Mikro- und Makrokosmos.
Das Gärtnerplatztheater ist eher ein Mikrokosmos.
Ja, und das sollten wir genießen! An dem Abend möchte ich meinen Spaß haben.
Angekündigt wird, dass ein Herr Marti das Programm mit eigenen musikalischen Beiträgen bereichern wird.
Das habe ich mit großem Entsetzen vernommen!
Kommen da die Geschwister Pfister auf die Bühne?
Nein, nein! Es geht um zwei Lieder von Zarah Leander und Grethe Weiser. Die finde ich einfach passend an dem Abend.
Michael Grill
Samstag, 20 Uhr, Karten unter Tel. 21851960