Gschlampert im Dreivierteltakt

Zum 10. Jubiläum von Klassik am Odeonsplatz gratulieren die BR-Symphoniker mit flottem Walzer. Chefdirigent Mariss Jansons über seine Liebe zur Operette und Turniertanz im Fernsehen
von  Abendzeitung

Zum 10. Jubiläum von Klassik am Odeonsplatz gratulieren die BR-Symphoniker mit flottem Walzer. Chefdirigent Mariss Jansons über seine Liebe zur Operette und Turniertanz im Fernsehen

AZ: Herr Jansons, sind Sie mit Ihrem Wiener Neujahrsprogramm nicht ein bisschen spät dran – so mitten im Sommer?

MARISS JANSONS: Das ist nicht nur ein Neujahrsprogramm. Klar, typisch Wienerisch, aber ich wollte einfach mal etwas ganz anderes ausprobieren. Außerdem liebe ich die Operette! Als Kind habe ich in Riga ein wunderbares Operettentheater erlebt, seitdem bin ich völlig infiziert. Und zweitens habe ich in Wien studiert, da kommt man an der Operette sowieso nicht vorbei.

In den meisten Konzertsälen aber schon.

Es ist so schade, dass dieses Genre heute fast ganz verschwindet. Statt dessen wird nur noch Musical gespielt. Das stört mich nicht, aber die Operette muss auf jeden Fall bleiben. Abgesehen davon war sie gerade in Deutschland mal sehr beliebt.

Und die „Lustige Witwe“ leidet immer noch darunter, dass Hitler sie mal sehr verehrt hat...

Das ändert ja nichts an ihrer Qualität.

Sollten dann nicht gerade die großen, bekannten Dirigenten öfters Operette dirigieren? Sie zum Bespiel könnten damit ein Zeichen setzen.

Absolut! Mit allergrößtem Vergnügen.

Wir nehmen Sie beim Wort.

Jetzt hab ich’s ja schon mal aufs Programm gesetzt. Und mit Thomas Hampson und Angelika Kirchschlager haben wir wunderbare Sänger, die das Genre sehr gut kennen. Dem Geiger Julian Rachlin muss man da auch nichts mehr erklären, er lebt ja schon lange in Österreich. Übrigens ist es auch fürs Orchester wichtig, diese Musik spielen zu können: Ein Spitzenorchester muss das einfach drauf haben.

Ist das Leichte nicht sogar besonders schwer?

Stimmt, es scheint eben nur leicht, man muss aber diesen ganz besonderen Stil beherrschen. Da braucht’s viel Gefühl – und Elan. Das ist wirklich eine große Kunst.

Und wie bringen Sie Ihren bayerischen Musikern das Wienerische bei, das ja auch ein bisschen gschlampert sein muss?

Ach, die Musik führt sie schon in die richtige Richtung. Das müssen sie einfach fühlen. Mag ja sein, dass mir das seit meiner Wiener Zeit im Blut liegt, aber ich glaube, den Musikern wird das genauso Freude bringen. Und dem Publikum sowieso.

Spielen Sie vor allem Strauß?

Nein, wir wollen möglichst viele Komponisten vorstellen. Neben Johann Strauß, Franz Lehár und Emmerich Kálmán gibt es da auch noch Carl Michael Ziehrer, Franz von Suppé, Fritz Kreisler, Robert Stolz oder Leopold Godowsky. Die haben wirklich gute, interessante Musik geschrieben.

Können Sie eigentlich Walzer tanzen?

Jedenfalls nicht gut.

Wahrscheinlich halten Sie’s wie die meisten Musiker und tanzen gar nicht.

Nein, nein, ich habe früher mit großem Vergnügen getanzt. Und ich muss Ihnen noch etwas gestehen: Ich bin absolut verrückt nach diesen Turniertänzen im Fernsehen!

Wie bitte?

Aber sicher. Da stimmt einfach jeder Schritt, da sitzt die kleinste Geste. Und diese hochprofessionellen Paare zu beobachten, das ist für mich Leidenschaft und Erholung zugleich.

Christa Sigg

Klassik am Odeonsplatz:

Mit Mariss Jansons und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks am Sonntag um 20 Uhr.

Mit den Münchner Philharmonikern, Dirigent Thomas Hengelbrock und Cellistin Sol Gabetta am Samstag um 21 Uhr.

Karten: 26 bis 69 Euro unter Tel.01805-481816

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.