Großartiges Gegurre
Mariss Jansons feierte mit Arnold Schönbergs "Gurreliedern" den 60. Geburtstag seines Orchesters in der Philharmonie
Kent Nagano war gekommen, Christian Thielemann auch. Er lieh sich in der Pause von Joachim Kaiser die Partitur, blätterte mit Anne-Sophie Mutter drin und ging nachher mit der Geigerin hinter die Bühne, um dem Kollegen Jansons zu gratulieren.
Die Aufzählung weiterer Prominenz würde den Rest des zur Verfügung stehenden Raums füllen. Rasch also zur Kunst: Würdiger als mit den „Gurreliedern“ konnte das Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks seinen 60. Geburtstag kaum feiern. Der öffentlich-rechtliche Kulturauftrag triumphierte durch die Mitwirkung der Chöre von NDR und MDR, die sich mit ihren Münchner Kollegen zur überwältigenden Einheit vereinten.
Im Bann Wagners
Der Riesenaufwand lohnt sich. Schönberg nutzt die Massen vor allem zur klanglichen Differenzierung. Tatsächlich tönen zwei Becken anders als eines und zwölf Kontrabässe noch gewaltiger als die üblichen acht. Die Jubilare reizten dies alles aus, um von einer „Tristan“-artigen Liebe zu erzählen, die in wütende Gotteszweifel des Tenors mündet, ehe sie von Naturkitsch übergipfelt werden, bei dem zuletzt für kurze Minuten der zwei Stunden dekorativ wartende Frauenchor hinzutritt.
Der Einspringer Stig Andersen holte aus der absurd schwierigen Tenorpartie alles Menschenmögliche heraus. Deborah Voigts Sopran wirkte verschleiert, als Interpretin ging sie leider kein Risiko ein. Mihoko Fujimura machte die Szene der Waldtaube zum Zentrum. Michael Volle sollte eigentlich nur den Bauern singen, sprang aber auch im Melodram ein, dessen Sprechgesang von seiner „Wozzeck“-Erfahrung profitierte. Der Beifall übertraf die Lautstärke des gewaltigen Schlusschors.
Robert Braunmüller