Greifbare Erinnerung

Geschichte wird Architektur: In der Pinakothek der Moderne führt die Ausstellung „Material Zeit“ die in jeder Hinsicht anspruchsvollen Werkprozesse von Wandel Hoefer Lorch & Hirsch vor Augen
von  Abendzeitung

Geschichte wird Architektur: In der Pinakothek der Moderne führt die Ausstellung „Material Zeit“ die in jeder Hinsicht anspruchsvollen Werkprozesse von Wandel Hoefer Lorch & Hirsch vor Augen

Erinnerung ist ihr Thema. Und dazu braucht es nicht nur hierzulande besonderes Fingerspitzengefühl. Entsprechend behutsam wählt Wolfgang Lorch seine Worte, wenn er über das Mahnmahl „Gleis 17“ in Berlin-Grunewald spricht. Oder die Holocaust-Gedenkstätte am Frankfurter Börneplatz – womit in Studententagen alles begann. Der Architekt ist Mitglied des Büros Wandel Hoefer Lorch & Hirsch (WHL & H), das in München mit dem Bau des Jüdischen Zentrums am Jakobsplatz für Aufsehen gesorgt hat.

Die Arbeitsweise dieser Spezialisten für die greifbare Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nun erstmals in einer Ausstellung nachzuvollziehen. Im Architekturmuseum werden zwölf Projekte des Teams mit Modellen und Zeichnungen, Visualisierungen und – das spielt bei WHL & H immer eine explizite Rolle – mit Materialien vorgestellt. Denn auf subtile Weise bringen sie die Erinnerung in Gang, regen ein Art taktiles Fassen an. Gerade München ist dafür ein gutes Beispiel. Die unterschiedlichen Travertin-Formen der Synagoge, die „Wand aus Stein“, spinnt feine Bezüge zur Klagemauer. Darüber das Transluzide – ein Kubus aus „gewebtem“ Metall, das die Gedanken fließen lässt. Und wenn die Natur nichts Adäquates bietet, wird der Stoff eben entwickelt.

Zwischen der unverrückbaren Geschichte wächst Gras

Auch die perforierten Stahlbahnen, die im Grunewald wie eine Straße aus durchlässigen Gleisen verlegt sind und an die Deportation der Berliner Juden erinnern, entstanden in einem langwierigen Prozess. Zwischen den Metallstrukturen wächst inzwischen Gras, und damit ist die unverrückbare Geschichte in ein Spannungsverhältnis mit einer sich entwickelnden Gegenwart gebracht.

Wobei sich das vielfach ausgezeichnete Architekten-Team aus Saarbrücken (2007 gab’s den AZ-Stern des Jahres) nie mit einer Lösung zufrieden gibt. „Jedes Projekt verlangt andere Annäherungen, andere Materialien, adäquate Formen“, sagt Wolfgang Lorch. Selbst wenn es – was tatsächlich die Ausnahme ist – mal so etwas geradezu Unbeschwertes wie ein Wohnhaus in Tiflis sein darf. Die Hochhausfassade aus quadratischen Glasfenstern erinnert in ihrer Struktur an Lego und mehr noch an den kniffligen Rubik-Würfel. Leicht möglich, dass Wandel Hoefer Lorch & Hirsch einfach mal nur spielen wollten.

Christa Sigg

Bis 6. März, Katalog 24.80 Euro

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