Grau ohne Horizont

Neue Pinakothek: Die Ausstellungen „Der Weite Blick“ und „Natur als Kunstbegriff“ zeigen die Niederlande im 19. Jahrhundert und heute
von  Abendzeitung

Neue Pinakothek: Die Ausstellungen „Der Weite Blick“ und „Natur als Kunstbegriff“ zeigen die Niederlande im 19. Jahrhundert und heute

Die Einschiffung nach Kythera“ wirkt im 21. Jahrhundert weniger idyllisch als auf dem berühmten Watteau-Gemälde von 1718: Der junge Fotograf Bas Princen nahm 2004 Freizeitlandschaften in den Niederlanden auf, in denen Wind-, Wasser- und andere Extremsportler ihr „Arkadien“ finden. Eine der Aufnahmen zeigt, Grau in Grau, ein paar Leute im Boot auf dem Weg zu einem Pfeiler im Meer, der überraschenderweise als Kletterturm genutzt wird.

Im Hintergrund domestizierte Natur, keine lockende Sehnsuchts-Szenerie. Princens Bilder sind Teil der Schau „Natur als Kunstbegriff“ in der Neuen Pinakothek, die die heutigen Niederlande in überwiegend sachlich-analytischen Fotografien zeigt. Ein Land, dichtest besiedelt und extensiv landwirtschaftlich genutzt, in dem Natur sich nirgendwo selbst überlassen ist.

Land unter dem Meeresspiegel

Nur das Meer ist in Zeiten des Klimawandels immer weniger beherrschbar. Diese Naturgewalt ist in einem Land, das zu einem Viertel unter dem Meeresspiegel und zur Hälfte weniger als einen Meter darüber liegt, allgegenwärtig, kommt aber in den Bildern der 16 Fotografen merkwürdigerweise nicht als Bedrohung vor.

Wie sehr hingegen etwa die Autobahn das Land und den Blick auf die grünen Zwischenzonen prägt, hält das Duo Theo Baart & Cary Markerink in der mehrteiligen Arbeit „Snelweg“ fest. Und Wout Berger hat „Giftlandschaften“ dokumentiert, kontaminierte Areale, auf denen sich vor der Abtragung ganz natürlich wirkender Wildwuchs breitmachte.

Die vielseitige Foto-Schau ist Ergänzung zur Ausstellung „Der Weite Blick“, die klassische Landschaften der Haager Schule präsentiert, darunter viele Leihgaben aus dem Amsterdamer Rijksmuseum. Die Landschaftsmalerei fußt in den Niederlanden auf einer bedeutenden Tradition seit dem Mittelalter, im 17. Jahrhundert erlebte sie aufgrund des calvinistischen Bilderverbots einen Höhepunkt.

Dagegen stehen die Bilder des 19. Jahrhunderts von Willem Maris, Jozef Israels oder Henrik Willem Mesdag oft zu nah am Klischee. Aber diese bukolischen Postkarten-Idyllen mit weitem Himmel, Wasser, Windmühlen und Kühen wurden ungeheuer populär. Wohl weil die Sujets bereits zur Entstehungszeit der Gemälde im Verschwinden begriffen waren.

Das offenbaren auch die begleitenden frühen Fotografien, die Hollands Industrialisierung und Nutzbarmachung durch Brücken, Kanäle und Deiche dokumentieren. Damit ergibt sich insgesamt eine höchst spannende Schau.

Roberta De Righi

Bis 19. Januar, Do – Mo 10 bis 18 Uhr, Mi bis 20 Uhr

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