Grandiose Klanggewalt
Kent Nagano dirigierte in Strauss’ „Elektra“ an der Staatsoper ein phonstarkes Orchester
Großes Gedränge im Orchestergraben: Strauss verlangt für die „Elektra“ 111 Musiker, und Kent Nagano, der die Oper jetzt erstmals im Nationaltheater dirigierte, legte natürlich Wert darauf, dass alle an Bord waren. Doch auch wenn einige gefehlt haben mögen, wurde es gelegentlich so laut, dass die Sänger auf der Bühne ein ums andere Mal in Schwierigkeiten kamen. Verstehen konnte man sie ohnehin nicht. Warum keine Übertitel?
Herbert Wernickes Inszenierung besticht noch immer durch ihre überzeugende Bildwirkung. Dass dem Regisseur zu den Personen nur wenig einfiel, muss man in Kauf nehmen. Ein Konzert im Kostüm: Deborah Polaski investierte in die Titelpartie Kraft und Energie, manchmal auch Ausdruck und den Willen zu musikalischer Gestaltung. Schade, dass sie immer wieder zu tief intonierte. Doris Soffel (Klytämnestra) widerlegte mit Bravour den Bann, den Sir Peter Jonas einst über sie verhängt hatte. Melanie Diener (Chrysothemis) wurde durch Kent Naganos Klanggewalten am meisten benachteiligt. Am besten die Herren: Wolfgang Koch (Orest) und Ulrich Reß (Aegisth), beide stimmlich makellos, nutzten die minimalen Vorgaben der Regie erfolgreich zu Ansätzen eines individuellen Rollen-Porträts.
Zurecht mit Ovationen gefeiert
Obwohl die Phonstärken auf einem Platz im Balkon besonders drastisch wirkten, war unüberhörbar, dass Kent Nagano das Staatsorchester zu einer Top-Leistung animierte. Man muss sich lange, vielleicht sogar bis Karajan, zurück erinnern, „Elektra“ ähnlich mitreißend, melodisch fließend und in den Gegensätzen so grandios nachdrücklich gehört zu haben. Nagano und seine Mitstreiter wurden zurecht mit Ovationen gefeiert. Die Zustimmung für die Sänger fiel deutlich weniger enthusiastisch aus.
Volker Boser
Nationaltheater, 5., 14. und 18. Februar, 20 Uhr, Tel. 2185 1920