Grandios unterschätzt

Mit Perugino, dem Lehrer Raffaels, zeigt die Alte Pinakothek einen verkannten Großmeister der Renaissance
Christa Sigg |
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Unter schweren Lidern und allzu keusch blicken seine Frauen aufs heilige Geschehen. In den weichen ovalen Gesichter ist eine Süße, mit der wir uns schwer tun in Zeiten androgyner Schönheitsideale. Perugino (um 1450-1523) macht es seinen Betrachtern nicht leicht, und doch gibt es eine beträchtliche Reihe an Werken, die allein in ihrer technischen Qualität so frappierend und zugleich von einer so innovativen Kraft sind, dass sämtliche Bedenken sofort in den Hintergrund treten. Das müssen selbst Renaissance-Kundige jetzt in der Alten Pinakothek bekennen. Dort ist dem umbrischen Meister eine fulminante Schau bereitet.

Im Haifischbecken Florenz war er der Superstar

Die erste außerhalb Italiens überhaupt – und ziemlich klug auf die fruchtbarsten zwanzig Jahre beschränkt. Das Spätwerk, dominiert von gut verkäuflichen Stereotypen, die die Werkstatt endlos kopiert hat, wird (fast) ausgespart. Aber das schärft den Blick auf einen Großen, sträflich Unterschätzten. Nicht zuletzt, weil dieser Pietro di Cristoforo Vannucci neben dem gleißenden Nimbus seines genialen Schülers verblassen musste, bald nur noch der Lehrer Raffaels war. Dabei rühmt ihn just dessen Vater, Giovanni Santi, als einen „divin pittore”, einen göttlichen Maler. Tatsächlich war der Künstler mit dem rundlichen, etwas griesgrämigen Konterfei um 1500 der Star. Und das im Haifischbecken Florenz.

Potente Auftraggeber wie die kunstfanatische Isabella d’Este rissen sich um das Supertalent aus der Schmiede des Andrea del Verrocchio, der päpstliche Hof engagierte ihn zur Ausmalung der Sixtinischen Kapelle, und weil der Geschäftstüchtige Werkstätten in Florenz und in seiner Heimat Perugia unterhielt, war er dauernd unterwegs. Mancher Klient durfte 15 Jahre zappeln, bis das Bestellte endlich eintraf.

Sagenhafte Porträts

Doch wahre Finessen brauchen ihre Zeit, man muss sich nur neben den eh schon herausragenden Bildkompositionen auf die Details konzentrieren. Der Verismus der zarten Pflänzchen – etwa bei „Apoll und Daphnis” aus dem Louvre – verrät das intensive Studium der alten Niederländer. Die Landschaften, die sich hinter dem Geschehen öffnen, entwickeln einen unerhörten Tiefensog, der den Betrachter einfängt, ihn zu kontemplativer Ruhe kommen lässt. Und was er vom Norden lernt, kombiniert er mit italienischem Form- und Raumgefühl. Peruginos Personal steht mit beiden Beinen auf der Erde. Oder in einer perspektivisch exakt konzipierten Säulenhalle.

Sein Heiliger Bernhard, ein Hauptwerk, das Ludwig I. im Raffael-Fieber ankaufen ließ, ist von dieser Welt, genau wie die elegante Madonna in ihren filigranen Sandalen, und damit wird selbst die Vision, die innere Schau der Botschaft Mariens greifbar – im Augenwinkel des Mystikers.

Seine größte Meisterschaft entwickelt Perugino allerdings in den Porträts. Sie weisen tief in die Charaktere der Gemalten. Und bis in die zerzausten Haarspitzen des Francesco delle Opere. Da übertrifft er noch den fabelhaften Hans Memling. Ein Jammer, dass davon, überhaupt von den profanen Arbeiten so wenig erhalten ist und das süßliche Himmelsvolk überwiegt. Andernfalls hätte Perugino seinen Rang behalten, so wie sein Freund Leonardo, mit dem er die Ölmalerei vorantrieb. Und die abfällige Kritik, die ihm Vasari, der nicht immer faire Chefbiograf der Renaissance, entgegenbrachte, wäre womöglich belächelt worden.

Bis 15. Januar 2012 in der Alten Pinakothek, Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18, Dienstag 10 bis 20 Uhr, Katalog 29.90 Euro

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